Nach dem kurzen Sommer des Neun-Euro-Tickets und der ungewohnten Mobilität für ärmere Bevölkerungsteile im vergangenen Jahr war das 49-Euro-Ticket eine Enttäuschung. Mehrere Verkehrsinitiativen hatten für ein 29 Euro Ticket plädiert, weil nur dann Menschen, die ihren Unterhalt mit dem zu „Bürgergeld“ aufgehübschten Hartz IV bestreiten müssen, sich das leisten könnten. Wenig hilfreich ist der 49-Euro-Fahrschein zudem für Menschen, an deren Wohnort die Verkehrsanbindung schlecht ist. Wozu ein Deutschlandticket, wenn kein Bus fährt, Bahnhöfe verfallen und die Schiene seit Jahrzehnten brach liegt? Rund 40 Prozent der Menschen in ländlichen Gebieten haben bislang keinen ausreichenden Zugang zum öffentlichen Verkehr. Wir brauchen massive Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Die 100 Milliarden, die die Ampelregierung für die Hochrüstung der Bundeswehr verpulvert, werden hier dringend gebraucht.
Trotz aller dieser genannten Mängel ist das 49-Euro-„Deutschlandticket“ dennoch so ziemlich die einzige Maßnahme der Ampel-Bundesregierung, die wenigstens noch ein bisschen nach sozialem Klimaschutz aussieht. Es fand vor allem in städtischen Großräumen großen Anklang, weil dort die Menschen bisher 80 Euro und mehr für ein ÖPNV-Monatsticket ausgeben zu mussten.
Bund und Länder hatten sich geeinigt, die Kosten für das 49-Euro-Ticket bis 2025 jeweils zur Hälfte zu tragen. Verkehrsminister Wissing hatte sich schon bei Einführung des 49 Euro Tickets geweigert, die Finanzierung auch langfristig sicherzustellen. Lediglich 1,5 Milliarden Euro will der Bund von 2023 bis 2025 bereitstellen. Die Länder bringen ebenso viel auf. Nun hat kürzlich eine Untersuchung aus dem Verkehrs-
ministerium ergeben, dass für die Fortführung des Tickets Zuschüsse in zweistelliger Milliardenhöhe nötig sind – oder das Ticket müsste deutlich teurer werden. Bisher haben nur die Länder ihre Bereitschaft erklärt, die Mehrkosten weiterhin zu tragen. Vom Bund gibt es bisher keine entsprechende Zusage. Schon war von einer Preiserhöhung auf 69 Euro die Rede- was faktisch das Ende des Tickets bedeuten könnte.
Genügend Geld wäre vorhanden …
»Es stehen in der Finanzplanung für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets keinerlei Mittel zur Verfügung«, äußerte Finanzminister Lindner schon anlässlich der Debatte um zusätzliche staatliche Gelder für das 9 Euro Ticket. Jetzt versuchen Finanzminister Lindner und Verkehrsminister Wissing das Spielchen zu wiederholen.
Dabei könnte die Bundesregierung ohne Probleme auf hohe Milliardenbeträge zur Förderung eines klimaschonenden öffentlichen Verkehrs zurückgreifen – wenn sie denn wollte. Gemeint ist eine Umwidmung ökologisch schädlicher Subventionen: Die umfassen u.a. drei Milliarden für das Dienstwagenprivileg, acht Milliarden für Diesel Subvention, acht für die fehlende Besteuerung von Kerosin, vier für den Mehrwertsteuerverzicht auf internationale Flugtickets. Dazu die Milliarden Kaufprämien für Elektroautos oder andere direkte Förderungen der Autoindustrie. Ohne diese sozial und ökologisch ungerechten Rabatte zur Förderung von Auto-, Lkw- und Flugverkehr wären über 20 Milliarden Euro mehr im Budget.
Volker Wissing aber zieht es vor, weiter echten Klimaschutz zu blockieren. Wenn es um Straßenbau geht, ist Wissing weder langsam noch zurückhaltend. Da drückt er aufs Gas. Nach Auffassung von Wissing gibt es bei 144 Autobahnprojekten ein angeblich „überragendes öffentliches Interesse“. Sie sollen so schneller gebaut und saniert werden. Einen bundesweiten Taktfahrplan für die Deutsche Bahn hält er dagegen erst 2070 für umsetzbar. Derzeit sind bis 2030 nur 496 Kilometer Neubauten für Schienen, aber sage und schreibe 889 Kilometer für Straßen geplant! Während Finanzminister Lindner immer wieder auf die angeblich angespannte Finanzlage hinweist, wenn es um ökologische Themen geht, ist die Ampelregierung bei der Förderung des Autoverkehrs alles andere als knausrig. Greenpeace hat jüngst berechnet, dass die Kosten für die geplanten Autobahnneu- und -ausbauprojekte des Bundesverkehrswegeplans bis 2035 dreimal höher liegen werden als bisher angenommen. Berücksichtigt man die Kostensteigerungen der letzten Jahre, werden die Projekte nicht wie bisher veranschlagt 50,9 Milliarden Euro sondern 153 Milliarden Euro kosten. Dieses Geld wird jedoch dringend für den Ausbau der Schieneninfrastruktur und ein besseres ÖPNV-Angebot gebraucht.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind allgegenwärtig und machen die Dringlichkeit zum Handeln offensichtlich. Wir alle können beobachten, dass sich das klimapolitische Zeitfenster zu schließen beginnen und wir auf Kipppunkte zusteuern. Die Weichen für eine klimaschonende und sozial gerechte Verkehrswende müssen jetzt schleunigst gestellt werden. Was wir brauchen, ist eine Konzentration auf den Ausbau der Schiene, den Erhalt der bestehenden Infrastruktur und eine Überprüfung ALLER Aus- und Neubauvorhaben mit Blick auf ihre Verträglichkeit mit den Erfordernissen des Klimaschutzes. Die Versuche von Lindner und Wissing, das 49 Euro Ticket zu sabotieren sind angesichts dessen unverantwortlich, ja geradezu unfassbar.
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