Wie können die Städte klimaneutral geheizt werden?

Klaus Meier

Der erste Entwurf des Gebäudenergiegesetzes (GEG) führte zu einer massiven Gegenkampagne rechter Parteien und Medien. Ganz vorne dabei waren der die FDP, die Springermedien, AfD und CDU. Tatsächlich können aber die Klimaziele ohne ein schnelles Umsteuern des Wärmesektors nicht erreicht werden. Rund 20 Prozent aller deutschen Treibhausgas-Emissionen werden allein durch den Wärmeverbrauch der Gebäude verursacht. Das ist ungefähr so viel wie der Verkehrssektor ausstößt. Alle deutschen Gemeinden müssen nun bis 2028 einen Wärmeplan vorlegen. Auch linke und ökologische Kräfte sollten dazu Positionen beziehen. Habecks ungeschickte Politik muss dabei sicherlich hinterfragt werden. Ist die vorrangige Orientierung auf Wärmepumpen wirklich sinnvoll? Wie können die Städte ökologisch geheizt werden? Und wer soll die Kosten der Wärmewende tragen?

Wärmespeicher in Churchill Gardens, UK, © Copyright Thomas Nugent, https://www.geograph.org.uk/photo/2321693, CC BY-SA 2.0 Deed Attribution-ShareAlike 2.0 Generic

Habecks Wärmepolitik mit doppelter Schlagseite

Wärme für Gebäude und Warmwasser stehen für 32 % des deutschen Endenergieverbrauchs. Das Schlimme daran: 91 % der Gebäudewärme wird immer noch mit fossilen Gas- und Ölheizungen erzeugt. Doch das steht im krassen Gegensatz zu allen zu allen Klimazielen. Hier offenbart sich ein Projekt von hoher politischer Dringlichkeit. Doch leider haben die CDU- und SPD-geführten Regierungen der letzten 20 Jahre alle möglichen ökologischen Umbaumaßnahmen des Wärmesektors systematisch verschleppt. Es ist sicher zunächst einmal ein Verdienst, dass der grüne Wirtschaftsminister Habeck das Projekt der Wärmewende angefasst hat. Doch er droht damit zu scheitern. Das liegt vor allem daran, dass er nur die technische Aufgabenstellung im Fokus hatte, aber die klassenpolitischen Verhältnisse in diesem Lande weitestgehend ignoriert hat. So orientiert Habecks Wärmewende vornehmlich auf Besserverdienende, die in gepflegten Einfamilienhäusern leben. Sie können sich Wärmepumpen und Haussanierungen leisten und erhalten dafür sogar noch einen Großteil der staatlichen Fördermittel. Auf der anderen Seite der Gesellschaft befinden sich die ärmeren Bevölkerungsschichten: Lohnabhängige mit niedrigem Einkommen, Rentner:innen oder Alleinerziehende. Sie leben eher in den gering gedämmten Wohnungen mit schlechten Energieeffizienzklassen und müssen höhere Heizkosten aufbringen. Bereits die hohe Inflationsrate macht ihnen zu schaffen. Wenn in dieser bereits angespannten Situation noch hohe Kosten für den Einbau einer neuen Wärmepumpe drohen, macht sich bei vielen Panik breit. Dies war Wasser auf die Mühlen der rechten Kräfte, die in der Klimapolitik die Position vertreten: Nach uns die Sintflut. Insbesondere die Springerpresse, die CDU, die FDP und natürlich die rechtsradikale AFD haben die Sorgen der Bevölkerung mit gezielten Kampagnen immer weiter angeheizt. Und sie waren dabei recht erfolgreich.

Die Wärmewende im urbanen Bereich ignoriert

Neben diesem Gerechtigkeitsproblem hat Habecks Wärmepolitik aber noch eine weitere Schlagseite. So betont er ganz zentral die Wärmepumpe, aber genau die ist allein nicht ausreichend, sondern führt in dieser Form in eine technische Sackgasse. Das gilt besonders für die verdichteten urbanen Räume, wo die Masse der Bevölkerung wohnt. Wo liegt das Problem? Die Platzverhältnisse sind hier beengt und es ist nicht vorstellbar, vor jede Häuserzeile eine Luftwärmepumpe zu setzen, die dann womöglich noch einen gewissen Lärmpegel erzeugt. Auch tiefe Bohrungen oder ein größerer Erdaushub für die besonders effizienten Erdwärmepumpen sind aufgrund der Platzprobleme nicht ohne weiteres möglich. Wenn also die klassischen Wärmepumpen hier nur bedingt nutzbar sind, stellt sich die Frage, wie dann in den Städten und urbanen Siedlungen ausreichend Heizwärme bereit gestellt werden kann. Habecks Konzept liefert darauf keine wirklich gute Antwort. Das merken auch die Eigentümer:innen oder Mieter:innen in den städtischen Wohnungen.

Wie könnte dann eine realistische Antwort aussehen, die diese Probleme mit in den Fokus nimmt? Real kann unter den beengten Platzverhältnissen in den Städten nur dann ausreichend Heizenergie bereitgestellt werden, wenn man industrielle Abwärme, saisonale Wärmespeicher oder Tiefengeothermie nutzt. Das ist technisch aber nur im großen Maßstab möglich. Wärmepumpen und Wärmespeicher in privaten Kellern können das nicht leisten. Es gibt allerdings eine Alternative, und das ist der Ausbau der Fernwärmenetze. Nur damit ist eine ökologische Wärmewende auch in den urbanen Räumen schnell umsetzbar. Leider bleiben in diesem Bereich die Handlungen der Bundesregierung hinter den Notwendigkeiten zurück. So stehen bis 2026 gerade mal 3 Milliarden Euro für Wärmenetze, Geothermie oder Solarthermie zur Verfügung. Viel zu wenig für eine ökologische Wärmewende in den urbanen Räumen.

Dabei haben Fern- und Nahwärmesysteme viele Vorteile: Eine zusätzliche Heizungsanlage im Keller eines Wohnhauses ist nicht mehr erforderlich. Denn die Wärmebereitstellung erfolgt durch den Anschluss an ein bestehendes Netz. Und wenn die Fernwärmetemperatur ausreichend hoch ist, ist auch keine vorherige thermische Sanierung der Häuser erforderlich. Problematisch ist allerdings, dass in Deutschland erst 14 % der Wohnungen an Fernwärmenetze angeschlossen sind

Verlegung von Fernwärmerohren, cc-by-sa/2.0 - © Stephen Craven - https://www.geograph.org.uk/reuse.php?id=5834148

 

In den Norden schauen und von Dänemark lernen

Unser nördliches Nachbarland Dänemark zeigt dagegen, wie man es machen kann. 63 Prozent der dänischen Haushalte werden heute bereits mit Fernwärme versorgt, in Kopenhagen sind es sogar 98 Prozent. Diese Entwicklung war nur möglich, weil der Staat die Wärmeversorgung in die Hände der Kommunen gelegt hat und sie dazu verpflichtete, eine Wärmeplanung für die Stadtquartiere durchzuführen. Nachteilig ist allerdings, dass die dänischen Wärmenetze in der Vergangenheit mit fossilem Erdgas betrieben wurden. Doch die zentralisierte Wärmeversorgung bietet für eine Dekarbonisierung einen großen Vorteil: Statt die Heizungen in zehntausenden Kellern umzustellen, müssen nur die Heizzentralen auf erneuerbare Energien umgestellt werden. So ist die Wärmewende in Dänemark, anders als in Deutschland, wesentlich schneller umsetzbar. Tatsächlich haben unsere nördlichen Nachbarn bereits 50 Prozent der Fernwärmenetze dekarbonisiert. Die Wärmeversorgung von Kopenhagen soll sogar schon 2025 CO2-neutral sein. Davon kann Berlin noch nicht einmal träumen. Für die Umstellung wird z.B. Umweltwärme aus der Ostsee und industrielle Abwärme mit Hilfe von Großwärmepumpen genutzt. Dazu fangen ausgedehnte Solarthermieanlagen im Sommer große Wärmemengen ein, die in großen saisonalen Wärmespeichern eingelagert und im Winter in die Fernwärmenetze eingespeist werden. Neben den technischen Maßnahmen setzt Dänemark für die Umstellung auch auf das Ordnungsrecht: Bereits 2013 wurden Öl- und Gasheizungen im Neubau verboten. Seit 2016 gilt ein Verbot des Austauschs alter fossiler Heizkessel gegen neue fossile Heizungen. Darüber hinaus werden fossile Energieträger deutlich höher besteuert als in Deutschland. Anders als in Deutschland ging diese Umstellung fast geräuschlos über die Bühne. Das hing nicht zuletzt damit zusammen, dass Dänemark im Vorfeld auf Wärmenetze gesetzt hatte und Heizungen in privaten Kellern vergleichsweise unbedeutend waren.

Fernwärme in Deutschland ausbauen

Immerhin besitzt auch in Deutschland ein Viertel der Städte und Gemeinden bereits eine Fernwärmeinfrastruktur. Dies gilt besonders für viele östliche Bundesländer, denn in der DDR hatte die Versorgung mit Fernwärme einen hohen Stellenwert. Stadtteile, in denen heute bereits Leitungen liegen, können als Brücke dienen für die Ausweitung der bestehenden Wärmenetze. Eine ausreichende finanzielle Förderung vorausgesetzt, ließe sich das Netz sehr schnell ausbauen. Nach Ansicht des Energieeffizienzverbandes AGFW könnte der Fernwärmeanteil in Deutschland bis 2030 auf 30 Prozent verdreifacht werden. In den großen Städten mit über 100.000 EinwohnerInnen könnte damit rund die Hälfte des Wärmeverbrauchs gedeckt werden. In den mittelgroßen Städten mit mehr als 20.000 EinwohnerInnen wären es dann 20 Prozent und in den Kleinstädten immerhin 10 Prozent. Das wäre ein Anfang.

Die Kühlung der Wohnungen im Sommer miteinplanen

Das wird nicht allein mit klassischen Fernwärmenetzen erreichbar sei. Die hohe Wassertemperatur von 80° bis über 100°C erschwert die Integration von erneuerbaren Wärmequellen, die meist auf einem niedrigeren Temperaturniveau vorliegen. Neue Niedrigtemperaturnetze haben deswegen nur Vorlauftemperaturen von ca. 40 °C, teilweise sogar nur 10° C. Dadurch sind die Verluste beim Wärmetransport niedriger und auch die Kosten der Netze sinken. Die Frage stellt sich, wie man mit diesen eher kalten Netzen ausreichend Wärme in die Wohnungen bekommt. Hier kommen dann Wärmepumpen ins Spiel. Sie sind den einzelnen Wohnungen und Häusern vorgeschaltet und heben die niedrigen Netztemperaturen auf das benötigte Wärmeniveau. Diese kühleren Wärmenetze können, wenn sie mit saisonalen Wärmespeichern verbunden sind, im Sommer die Wohnungen auch kühlen. Für die zu erwartenden künftigen Hitzesommer wäre das eine wesentlicher Vorteil, besonders in den Städten.

Wärme für Wohnungen aus der Tiefe der Erde holen

Eine weitere Möglichkeit, die Wärmeversorgung in den urbanen Regionen zu sichern, ist die Tiefengeothermie. Aktuelle Forschungen zeigen, dass damit etwa die Hälfte der gesamten Wärmeversorgung für Wohnungen und andere Gebäude abgedeckt werden könnte. Ein Hotspot für Tiefenwärme befindet sich in Süddeutschland zwischen der Donau und den Alpen. Hier liegt in großer Tiefe eine 600 Meter dicke Kalksteinformation, die zerklüftet und mit heißem Thermalwasser gefüllt ist. Für die Wärmegewinnung wird das kochend heiße Wasser aus rund 3000 Meter Tiefe hochgepumpt, die Wärme wird entnommen und das Wasser wird an anderer Stelle wieder in die Tiefe injiziert, wo es sich erneut aufheizt. Ein geschlossener Kreislauf. Ein Nutzungsbeispiel ist Unterhaching im Landkreis München, wo seit 2007 die Tiefengeothermie für ein geothermisches Heizkraftwerk genutzt wird. Das dortige Wasser stammt aus 3500 Metern Tiefe und ist 133 Grad heiß. Über 60 Prozent der in Unterhaching benötigten Wärme wird mittlerweile aus dem angezapften Thermalwasser unter der Stadt geholt und in das Fernwärme-Netz der Stadt eingespeist. Auch im Oberrheingraben, in verschiedenen Regionen von NRW und in ganz Norddeutschland ist die Gewinnung von Tiefenwärme möglich. Bereits die DDR begann angesichts ihres chronischen Ressourcenmangels damit, tiefengeothermische Quellen für die Heizversorgung anzuzapfen. Ein Beispiel ist Waren an der Müritz, wo 1984 Tiefbohrungen erfolgten und das so gewonnene heiße Wasser für das lokale Fernwärmenetz genutzt wurde.

Die Wärmewende eng mit der lokalen Ebene verzahnen

Wie kann nun die Wärmewende praktisch erreicht werden? Die bisherigen Bundes- und Landesregierungen haben dabei völlig versagt. Der Wärmeumbau wurde als ein Aufgabe in der Verantwortung der Wohnungseigentümer gesehen, die Regierungen hat es nicht gekümmert. Real passierte dann fast nichts. Tatsächlich ist aber die Transformation der Wärmeversorgung eine hochpolitische und strategische Aufgabe, in die sich auch linke Initiativen lokal und bundesweit einmischen sollten. Die Absicht des Bundeswirtschaftsministeriums, eine verpflichtende Wärmeplanung für Kommunen einzuführen, könnte dazu genutzt werden. Dafür müssen lokal und regional Flächen bereitgestellt werden: Für neue Wärmeleitungstrassen, saisonale Wärmespeicher, Tiefengeothermie, die Erschließung von Umweltwärme oder Flächen für solarthermische Großanlagen. Linke Kräfte sollten hier intervenieren und frühzeitig eigene Pläne entwickeln, diese der lokalen Öffentlichkeit vorstellen und die Verwaltungen damit konfrontieren. Sie sollten dabei zusätzlich Vorschläge zur Demokratisierung und zur gesellschaftlichen Kontrolle der Stadtwerke in die Diskussion einbringen.

Die Kosten einer Wärmewende

Die Kosten für den Aufbau einer ökologischen Wärmeinfrastruktur sind aber nicht unerheblich. Tatsächlich sagen alle Zahlen, dass eine wirkliche Wärmewende nicht umsonst zu haben ist. Es dürften Fördermittel bis zu einer Dreiviertel Billion Euro innerhalb von 15 Jahren erforderlich werden. Das Wuppertal-Institut hat in einer aktuellen Studie berechnet, dass sich die Wärmewende (Wärmpepumpen, Speicher, Solarthermie) einschließlich einer großangelegten Wohnungssanierung bis 2035 komplett umsetzen ließe. Bis dahin müsste der Staat aber jedes Jahr zusätzlich 50 Milliarden Euro zum Aufbau der Infrastruktur bereitstellen. Also eine zentrale Aufgabe der Regierung. Das Geld wäre dafür da, wenn man bedenkt, dass die Bundeswehr jedes Jahr Gelder von über 50 Milliarden Euro sinnfrei verschlingt und dass der deutsche Bundestag in 2022 irrwitzigerweise 100 Milliarden Euro extra für die Aufrüstung des deutschen Militärs bewilligt hat. Dazu ließen sich auch in anderen Sektoren Gelder für den ökologischen Umbau steuerlich abschöpfen: So werden allein die 40 DAX-Konzerne in 2023 genauso wie im Vorjahr wieder über 50 Milliarden Euro als Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten.

Halten wir fest: Der deutsche Staat könnte die erforderlichen Gelder für eine Wärmewende prinzipiell aufbringen, aber es fehlt bei den Kapitaleignern und den bürgerlichen Parteien schlicht der politische Wille, dies auch umzusetzen. Wenn sich linke Kräfte allerdings dazu verleiten lassen, die Finanzierung der Wärmewende dem ärmeren Teil der Bevölkerung anzulasten, dann können sie nur verlieren. Das ist genau das Schicksal, das Robert Habeck erlitten hat.