Für eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets

Klaus Meier

Das 9-Euro-Ticket: 30 Millionen NutzerInnen

Das 9-Euro-Ticket war ein großer Erfolg. Nach Angaben des Verbandes der Deutschen Verkehrsunternehmen (VDV) wurde das 9-Euro-Ticket im Juni etwa 21 Millionen Mal verkauft. Zusammen mit den 10 Millionen AbonnentInnen, die das Ticket automatisch erhalten, wurde im Monat eine Zahl von über 30 Millionen Menschen erreicht, die das Ticket nutzen konnten. Die Deutsche Bahn, über deren Kanäle ein Großteil der Sonderfahrkarten verkauft worden sind, spricht von einem Fahrgastzuwachs im Juni von 10 bis 15 Prozent. Andere Beobachter geben sogar noch höhere NutzerInnenzahlen an. Das Statistische Bundesamt spricht nach einer Sonderauswertung von Mobilfunkdaten von einem Zuwachs von 42 Prozent im Verhältnis zum Juni 2019. Gleichzeitig ergab eine Analyse des Verkehrsdatenspezialisten TomTom im Auftrag der Deutsche Presse-Agentur, dass auch der Straßenverkehr im Juni leicht zurück gegangen ist. In 23 von 26 untersuchten Städten konnte eine Verringerung der Stauniveaus beobachtet werden.

Aber auch als normaler Verkehrsbenutzer konnte man feststellen, dass insbesondere die Bahn mit der Aktion neue Kundenkreise erschließen konnte. Dies gilt insbesondere für viele junge aber auch ältere Menschen, für die die Bahn in der Vergangenheit schlicht zu teuer war. Erstmals konnten sie dieses Verkehrsmittel zu einem erschwinglichen Preis nutzen und gleichzeitig das enge Korsett der Tarifstrukturen überwinden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Mit dem 9-Euro-Ticket können die NutzerInnen über die Grenzen von Tarifverbünden und Bundesländern hinweg ihr öffentliches Verkehrsmittel, also Bahn oder Bus, frei wählen. Damit gewinnen zahlreiche Menschen aber auch eine Freiheit der Mobilität, die sie vorher nicht kannten. Und dies ist eine ökologisch orientierte Freiheit – im Gegensatz zur angeblichen „Freiheit“ der FDP, die ein Recht zum automobilen Rasen auf deutschen Straßen propagiert.

9-Euro-Ticket: Ein Schritt zum Ausstieg aus der Autogesellschaft

Das 9-Euro-Ticket hatte aber auch eine Bedeutung für die Klimapolitik. 20 Prozent der erzeugten Treibhausgase werden durch den Mobilitätssektor verursacht. Vor allem durch das Auto. Gleichzeitig genießt die Autolobby hierzulande eine gewaltige Unterstützung in der Bevölkerung. Was kann dagegen gesetzt werden? Um eine Abkehr vom Individualverkehr zu erreichen, müssen vor allem die Alternativen attraktiver gemacht werden. Dazu bedarf es deutlich niedrigerer Preise von Bus und Bahn. Dass das geht, hat das 9-Euro-Ticket gezeigt. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass der ÖPNV dringend ausgebaut werden muss, wenn er zu einer wirklichen Verkehrsalternative zum Auto werden soll.

 

Ausbau des ÖPNV ist erforderlich

So kam es auf einzelnen Bahnstrecken zu einer vollkommenen Überlastung der Züge, insbesondere rund um die Feiertage. Zehntausende wurden in zu wenig Zügen bei großer Hitze zusammengedrängt. Hier wurde offensichtlich, wie wichtig ein schneller Ausbaus der öffentlichen Verkehrsmittel ist. Das gilt sowohl für Züge und Gleise aber auch für das Personal. Zu lange haben die letzten Regierungen diesen Verkehrssektor zu Gunsten des Autoverkehrs und des immer wahnwitzigeren Straßenbaus vernachlässigt. Insbesondere die Bahn wurde nur noch auf Substanz gefahren. Die sträfliche Vernachlässigung des Schienenverkehrs hat de facto mit dem Eisenbahnunglück in Garmisch-Partenkirchen sogar schon Tote gefordert.

 

Ein bundesweites 9-Euro-Ticket wäre problemlos finanzierbar

Die Kosten des 9-Euro-Tickets für die 3 Monate Juni, Juli und August wird mit 2,5 Milliarden Euro angegeben. Auf das ganze Jahr gerechnet sind das nur 10 Millionen Euro. Dazu kämen noch Mittel für den Ausbau von Eisenbahn, Stadtbahnen und Bussen. Der VDV spricht von 13 Milliarden, die für ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket notwendig wären. Ein Minibetrag im Verhältnis zu den vielen Milliarden Euro, mit denen jedes Jahr der Autoverkehr subventioniert wird. Nach Berechnungen von Professor Christian Böttger, von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, sind das jährliche 87 Mrd. Euro. Davon gehen allein 30 Milliarden Euro in den Ausbau und Erhalt des überdimensionierten Autobahn- und Straßennetzes.

Real ist das Geld für das 9-Euro-Ticket kein Problem. Es könnte problemlos gegenfinanziert werden allein durch die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, die jedes Jahr im Bundeshaushalt enthalten sind. Zu nennen wären:

• Die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs (circa 4,4 Milliarden Euro),

• die Abschaffung des Dieselprivilegs (bis zu 8,2 Milliarden Euro) und

• der Besteuerung von Kerosin für den Flugverkehr (circa 8,3 Milliarden Euro).

 

Zentrale Frage: Wie das 9-Euro-Ticket verlängern?

Es gibt eine zentrale Frage, die mittlerweile in zahlreichen Verkehrsinitiativen und linken Gruppen diskutiert wird: Wie kann das 9-Euro-Ticket verlängert werden? Dazu gibt es bereits zahlreiche Überlegungen. Der BUND, Campact und die Verbraucherzentralen haben eine Petition aufgelegt, die für die Zukunft ein 365 Euro-Ticket fordern. Fridays for Future fordert dagegen eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets, wie es auch viele Verkehrsinitiativen tun. Gegen all diese Bestrebungen erklärte Bundesfinanzminister Lindner bereits seine Opposition. Er präsentiert sich der näher kommenden Klimakatastrophe zum Trotz als neoliberaler Hardliner und will den Geldsack zugeschnürt lassen. Die Bundesregierung hat in diesem Sinn keine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets geplant, obwohl einzelne Personen der Grünen Sympathien für ein sog. „Klimaticket“ äußerten. Allerdings dürfte jede positive Absicht schnell in den Koalitionsverhandlungen versanden. Bestenfalls ist mit einem „Klimaticket“ zu rechnen, das zwischen 700 – 900 Euro pro Jahr kosten dürfte. Das wäre für die Masse der neuen NutzerInnen schlicht zu teuer. Es würde damit kein nennenswerter Beitrag für ein Umschwenken der VerkehrsnutzerInnen vom Auto auf den ÖPNV erreicht.

 

Mobilisierungen für die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets

Letztendlich wird es eine Frage von Mobilisierungen sein, ob wir ein wirklich kostengünstiges Klimaticket politisch durchsetzen können. Die Koalitionsparteien müssen den politischen Druck der ÖPNV-NutzerInnen spüren. Wichtig wäre jetzt eine Petition und eine deutlich sichtbare Unterstützung für ein 9-Euro-Ticket auf der Straße. Die TrägerInnen können nur die Bürgerinitiativen, der BUND, die Linke, BahngewerkschafterInnen und vielleicht kleinere Teile der Grünen (Grüne Jugend) sein. Wichtig ist, dass eine Zentralisierung der Bewegung erfolgt, z.B. durch eine zentrale Demonstration. Das zeigt, dass man nicht vereinzelt agiert und dass die Möglichkeit eines Erfolges gegeben ist. Das Ziel muss sein, einen Teil der NutzerInnen des 9-Euro-Tickets für dessen Fortsetzung auf die Straße zu bringen. Nur gemeinsam schaffen wir die Fortsetzung eines günstigen ökologisch wirksamen Tickets sowie den Ausbau des ÖPNV für eine lebenswerte Zukunft.

9-Euro-Ticket für immer!

Sitzplätze für alle!