Urlaub und das Recht auf Wohnraum – am Beispiel des französischen Baskenlandes

Thibaud Catté, Bayonne, Frankreich

Wohnungsnot gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in zahlreichen anderen europäischen Ländern. Der übliche Tourismus führt zu einem enormen Landschaftsverbrauch, verschandelt immer mehr ursprünglich schöne Regionen und die Ausbreitung von Konzernen wie Airbnb führen zu einer starken Verknappung des Wohnraums. Das ist nicht nur auf Mallorca und an der gesamten spanischen Küste so, sondern ähnliche Entwicklungen gibt es auch im französischen Baskenland. Wir veröffentlichen dazu nachfolgend einen aktuellen Artikel, der sich mit den Folgen eines ungehemmten Tourismus im französischen Bakenland auseinandersetzt und in der linken französischen Wochenzeitung „L‘Anticapitaliste“ erschienen ist. Der Autor ist Thibaud Catté.

Aufruf des Bündnisse Herrian Bizi im April 2023 In Bayonne

Die Unruhe ist im französischen Baskenland nicht zu übersehen: Letztes Jahr marschierten 8000 Menschen in Bayonne für das Recht auf Wohnraum. Es gab im Baskenland sogar schon Anschläge auf Immobilienagenturen. Die Wohnungskrise ist nicht neu, aber sie verschärft sich, und die Basken sind für ihren rebellischen Geist bekannt.

Etwa 16 000 möblierte Ferienwohnungen gibt es in der Region von Bayonne: Das würde ausreichen, um 10 % der lokalen Bevölkerung unterzubringen. Dazu einige Zahlen: Im kleinen Ort Guéthary gibt es 47 % Zweitwohnsitze, während der Durchschnitt im nördlichen Baskenland bei 20 % liegt, was bereits eine sehr hohe Quote ist.

Der Kapitalismus frisst das Baskenland

Wenn man außerhalb der Saison an der Küste wandert, sieht man leere Parkplätze, verlassene Golfanlagen, geschlossene Restaurants und einsame Campingplätze. Dazu viele baskische Häuser mit heruntergelassenen Fensterläden und Swimmingpools, die direkt am Meer liegen. Aber dafür kann man in der Region in der Ferienzeit Berufspolitiker vom Schlage eines Gérard Larcher oder Bruno Le Maire [1] antreffen, die wahrscheinlich ihren Stress abbauen wollen. Selbstverständlich reisen sie im Privatjet an.

Landwirtschaftlich genutzte Flächen gibt es noch. Ihr Erhalt kostet nichts und garantiert, dass niemand die Aussicht ruiniert! Teilweise gibt es aber sogar die Einheimische, die resignieren und sich beeilen, das Familiengebäude in ein Landhaus für Touristen umzuwandeln…

Der kapitalistische Tourismus verbraucht nicht nur Kerosin oder Sonnencreme, er verbraucht auch viel Land. Ein direkt bebauter Quadratmeter Wohnfläche hat zur Folge, dass sechs weitere mit Asphalt- und Betonflächen bedeckt werden. Der Tourismus ruiniert nicht nur die Umwelt, sondern auch das lokale Leben: Denn ein Tourist lebt nicht in der Ferienregion und ist nicht wirklich integriert. Die sog. Folklore, die er konsumiert, ist daher nur ein vages Echo der lokalen Kultur. Das führt zu ihrer Degeneration, so wie die traditionellen balinesischen Tänze nur eine Erfindung für Touristen sind. Nach dem Urlaub heißt es dann: „Wir haben Axoa au Piment d’Espelette gegessen und waren surfen [2]. Wir kennen das Baskenland wirklich gut, oder etwa nicht?“

Wer kauft Wohnungen in der Region? Wie die Forscherin Eugénie Cazaux [3] herausgefunden hat, sind es vor allem Investoren, die eine schnelle Rendite suchen, eher wohlhabende Rentner und sehr wohlhabende Berufstätige. Für Einheimische ist es dagegen schwierig, das „Leben und Wohnen auf dem Land“ zu genießen, da sie i.A. keinen Senatsvorsitz aben oder Wirtschaftsminister sind. Selbst wenn man Mieter einer Wohnung ist, ist man nicht sicher: So gibt es in Bayonne mehr Kündigungen wegen des Verkaufs von Wohnungen als in Marseille, Lyon, Toulouse, Nizza und Nantes zusammen! Aber im Gegensatz zu Biarritz oder Saint-Jean-de-Luz gibt es in diesen größeren Städten immerhin noch Sozialwohnungen. Letztendlich werden die Bewohner des Baskenlandes durch das „Gesetz des Marktes“, das ein Gesetz der Kapitalismus ist, vertrieben.

Der Kampf um Wohnraum – gegen Zweitwohnsitze

Doch der lokale Widerstand gegen die Zumutungen eines kapitalistisch-kommerziellen Tourismus hält an und erneuert sich immer wieder. Er stützt sich dabei vor allem auf die historischen Netzwerke baskischer Aktivisten und die Selbstorganisation der Betroffenen. Ein Beispiel ist die politisch pluralistische Plattform „Herrian Bizi“ (baskisch, bedeutet: Leben und wohnen in der Region) [4]. Sie brachte im vergangenen Jahr Parteien, Verbände und Gewerkschaften in einer großen Kampagne für das Recht auf Wohnen und gegen Airbnb zusammen. Mit einer Rekorddemonstration am 1. April 2022 als Höhepunkt erreichte sie die Einführung einer Maßnahme, die bei jeder Neuvermietung für Kurzzeittourismus dazu verpflichtet, die gleiche Fläche ganzjährig als Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

In diesem Jahr richten sich die Kampagnen gegen Zweitwohnungen und stattdessen für Sozialwohnungen. Am 1. April 2023 demonstrierten die Bewohnerinnen und Bewohner erneut, und folgten damit dem Aufruf der Plattform Herrian Bizi. Sie forderten Maßnahmen gegen Zweitwohnsitze, die Berücksichtigung von Zweitwohnungen bei der Berechnung des Sozialwohnungsbestands und eine Begrenzung der Mietpreise.

Ökosozialismus, um hier zu leben

Diese einzelnen Maßnahmen werden aber nicht ausreichen. Wie Engels schrieb, wird die Wohnungsfrage bestehen bleiben, solange es Besitzer großer Vermögen und einfache Lohnabhängige gibt. Erstere werden sich weiter luxuriöse Wohnungen leisten können, auf Kosten der Letzteren, für die nur einige Brosamen übrig bleiben.

Wir lehnen es ab, immer mehr Landschaft für Zweitwohnungen zu opfern und einzubetonieren. Wohnraum darf keine Ware mehr sein. Man muss sie sich aneignen, sie für diejenigen beschlagnahmen, die hier leben und arbeiten. Dann kann die eigentliche Arbeit beginnen: Die in ihrem jetzigen Zustand unbewohnbaren Viertel müssen lebenswert gemacht werden. Parkplätze sind in Gemüsegärten umzuwandeln, Golfplätze müssen wieder zu grünen Wiesen werden und statt Schwimmbäder wollen wir den Ozean genießen.

[1] Gérard Larcher ist ein französischer Politiker der gaullistischen Partei „Les Républicains“. Er ist Präsident des französischen Senats. Bruno Le Maire ist seit 2017 Minister für Wirtschaft und Finanzen.

[2] Axoa ist ein typisch baskisches Gericht, das durch Piment d’Espelette, den Chili des französischen Baskenlades, seinen besonderen Geschmack bekommt.

[3] Autorin einer Doktorarbeit über die Berücksichtigung von Küstenrisiken durch die Grundstücks- und Immobilienmärkte der französischen Metropolitanküste: Ambivalenz des Meeres und Versuche der öffentlichen Regulierung der „Sehnsucht nach der Küste“ zu Beginn des Klimawandels.

[4] In der Plattform Herrian Bizi sind neben anderen auch Mitglieder der NPA (Nouveau Parti anticapitaliste, versteht sich selbst als ökosozialistisch) aktiv, worauf der Autor in seinem Artikel hinweist.