Erklärung zur Mobilitätswende:

Nach links abbiegen – Spurwechsel für eine gerechte Mobilitätswende

Gemeinsame Erklärung

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist unerlässlich, ebenso wie eine sozial-ökologische Industriepolitik, um die entsprechenden Fahrzeige und Infrastrukturen zu produzieren. Um dies zu leisten bedarf es massiver Investitionen. Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form blockiert dabei den Weg in eine Transformation für die Zukunft. Um diese zu realisieren, sollten auch die einkommensstärksten Haushalte wieder mehr an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden, etwa über eine Vermögenssteuer und/oder konsequentere Übergewinnsteuern.

Dies ist der Gegenstand einer gemeinsamen Erklärung anlässlich des Ratschlages zum Umbau der Mobilitätsindustrien in Kassel Ende Mai 2024. Unterzeichnet haben zahlreiche Betriebsräte aus der Automobil- und Schienenfahrzeugindustrie, Gewerkschafter*innen aus IG Metall, EVG und ver.di, Vertreter*innen aus Umweltverbänden und Klimaaktivist*innen sowie Mitglieder der Linken und aus der kritischen Wissenschaft. Unter ihnen sind die stellvertretende Bundesvorsitzende von Ver.di, Christine Behle, der Soziologe Klaus Dörre, die Co-Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, sowie der Betriebsratsvorsitzende von VW-Kassel/Baunatal, Carsten Büchling. Die Unterzeichner*innen erklären ihren Willen, künftig gemeinsame Initiativen und Aktionen zu organisieren, Ressourcen zu bündeln, um ihrem Anliegen mit Durchsetzungskraft zu verleihen.

Siehe dazu: Rosa Luxemburg Stiftung

Erklärung zur Mobilitätswende

Gewerkschaften und Umweltbewegung treten zusammen für eine gerechte Mobilitätswende an. Erst jüngst unterzeichneten IG Metall, EVG, ADFC, Allianz pro Schiene und Zukunft Fahrrad eine gemeinsame Erklärung «Verkehrswende braucht Zeitenwende». Dies weist in die richtige Richtung. EVG und verdi koordinierten im März letzten Jahres ihre Streiks. In der Tarifrunde Nahverkehr in diesem Jahr streikten verdi und Fridays for Future bereits das zweite Mal unter dem Motto «#wirfahrenzuammen» für den Ausbau des ÖPNV, gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne für die Beschäftigten.
Die Lage ist dringlich: Die Fortschritte im Bereich Mobilitätswende sind viel zu langsam, eine Trendwende bei CO2-Ausstoß des Verkehrs noch längst nicht erreicht, ganz im Gegenteil. Die Zeit läuft davon. Nicht einmal das – immer noch zu teure – «Deutschlandticket» scheint ab 2025 noch gesichert. Es fehlt an Fahrerinnen und Fahrern im Nahverkehr, an Lokführerinnen und Lockführern, aber es mangelt genauso an einer ausreichenden Finanzierung der notwendigen Transformation.
Währenddessen führen die Antriebswende in der Automobilindustrie und die verstärkte Konkurrenz neuer Player aus China oder von Tesla zu einer ausgewachsenen Krise der Beschäftigung. Bisher haben die deutschen Automobilkonzerne auf hochpreisige Modelle mit Verbrennungsmotor gesetzt. Diese Konzernstrategie führen sie gegenwärtig im Elektrosegment fort. Dabei produzieren sie keine kleinen E-Autos oder Busse, sondern bevorzugt große, schwere, hoch motorisierte E-SUV. Diese sind kapital-, aber nicht gleichsam arbeitsintensiv. Und so geht die Umstellung auf E-Autos mit deutlichen Beschäftigungsverlusten einher, insbesondere bei den Zulieferern. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen in Ländern in Afrika oder Lateinamerika, von Chile bis Kongo, wo die hohen Rohstoffbedarfe der Industrieländer zu sozialen und ökologische Krisen führen.
In Einzelfällen gelingt in Betreiben die Konversion hin zu anderen Produkten, z.B. Wärmepumpen – meist auf Druck der Gewerkschaften. Für die Transformation und Konversion der Produktion braucht es mehr gezielte staatliche Unterstützung, gebunden an Gute Arbeit, Tarifbindung, ein ökologisch nachhaltiges Geschäftsmodell und eine öffentliche Beteiligung.
Daneben sind auch weitreichende Perspektiven gefragt: Daher braucht es große Investitionen für den Ausbau des Nahverkehrs wie des Schienenverkehrs, für Gute Arbeit und für jede und jeden bezahlbare Fahrpreise. Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form blockiert dabei den Weg in eine Transformation für die Zukunft. Um diese zu realisieren, sollten auch die einkommensstärksten Haushalte wieder mehr an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden, etwa über eine Vermögenssteuer und/oder konsequentere Übergewinnsteuern. Eine Verschiebung vom Individual- auf den öffentlichen Verkehr hierzulande würde auch den Rohstoffbedarf senken und mehr globale Gerechtigkeit mit sich bringen.
Doch es bedarf auch einer anderen sozial-ökologischen Industriepolitik: Denn für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs braucht es eine entsprechende Produktion von Schienenfahrzeugen, E-Bussen, Straßenbahnen, E-Bikes etc. Eine Produktion, die zu einem erheblichen Teil in Deutschland gehalten werden sollte. Die erwähnte Erklärung von Gewerkschaften und Umweltinitiativen fordert u.a. eine «Mindestwertschöpfungsquote von 50 Prozent […] in Deutschland bei der Fahrzeugbeschaffung öffentlicher Verkehrsunternehmen». Dies erfordert Planungssicherheit für Unternehmen, aber auch ein Eingreifen der öffentlichen Hand, wenn private Unternehmen nicht mehr Willens sind, Standorte in der Bus- oder Schienenfahrzeugindustrie zu erhalten und für die Transformation fit zu machen. Studien (z.B. «Spurwechsel» 2022 der Rosa-Luxemburg-Stiftung oder von M-Five/Frauenhofer Institut 2020) belegen, welch hohes Beschäftigungspotenzial dort zu heben wäre, mit tariflich hohen Standards. Dabei gilt für uns: Eine alternative sozial-ökologische Industriepolitik verfolgt auch das Ziel von Abrüstung und Rüstungskonversion.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Ratschlages, Vertreter und Vertreterinnen aus verschiedenen Betrieben und Gewerkschaften, Umwelt- und Klimaaktivist*innen sowie kritische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären, künftig nach gemeinsamen Initiativen und gemeinsamen Praxisformen zu suchen, Forderungen und Streikmaßnahmen der Bündnispartner zu unterstützen oder – wo möglich – gemeinsam anzugehen. Erste Erfahrungen und Beispiele gibt es bereits:  
#wirfahrenzusammen für zukunftsorientierte und nachhaltige Investitionen in den öffentlichen Verkehr, für #mehrAchtung und gute Arbeit und einen #fairWandel mit Perspektiven für eine industrielle Produktion für die Mobilitätswende.

UnterzeichnerInnen:

Heiko Balsmeyer, Verkehrsclub Deutschland (VCD)

Christine Behle, stellvertretende Bundesvorsitzende ver.di

Antje Blöcker, Industriesoziologin, Universität Bochum

Ulrich Brand, Universität Wien

Carsten Büchling, VW-Betriebsrat (IGM), Kassel

Cedric Büchling – insorgiamo.de / ex:GKN Soli, Frankfurt/M

Mario Candeias, Politologe, Rosa-Luxemburg-Stiftung, ver.di-Mitglied, Berlin

Judith Dellheim, Politökonomin, Senior Fellow RLS, Berlin

Alex Demirovic, Goethe-Universität, Frankfurt am Main/Berlin

Klaus Dörre, Soziologe, Universität Jena

Mathias Ebenau, 1. Bevollmächtigter d. IG Metall Hanau-Fulda

Bettina Ellermann-Cacace, IG Metall Offenbach

Karsten Färber, Die Linke KV Goslar

Axel Gerntke, eh. Bevollmächtigter IG Metall Wiesbaden-Limburg, eh. MdL Die Linke Hessen

Gruppe „Klasse&Klima“

Achim Heier, Attac, Bremen

Matthias Fritz, eh. Betriebsrat Mahle

Franziska Heinisch, Fridays for Future, Berlin

Lars Hirsekorn, Betriebsrat VW (IGM) Braunschweig

Marvin Hopp, Universität Göttingen

Benjamin Hornung, Gewerkschaftssekretär IG Metall Kassel

Andreas Klepp, GEW / Vorstand Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen

Jürgen Klippert, IG Metall, Kassel

Hans Koebrich, IG Metall Berlin

Rhonda Koch, Universität Basel / Fridays for Future

Bernhard Knierim, Bahn für alle + (Bring the night trains) back on track!, Werder (Havel)

Stephan Krull, eh VW-Betriebsrat, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Hamburg

Hans Lawitzke, Europäischer Ford Betriebsrat (EFB)

Sabine Leidig, Die LINKE Stadtverordnete Kassel / Vorstand ISM

Paul Michel, Netzwerk Ökosozialismus, Schwäbisch-Hall

Stefan Nagel, Produktionsfachkraft Automobilindustrie, Vertrauenkörper (IGM) bei BMW Leipzig und Mitglied im Vorstand DIE LINKE.Sachsen

Theresa Pfaff, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

Matthias Pippert, Gewerkschaftssekretär für Verkehrspolitik, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)

Saida Ressel, NELA. Next Economy Lab, Bochum

Bernd Riexinger, MdB Die Linke, Stuttgart

Rainer Rilling, Soziologe, Senior Fellow RLS, Marburg

Tobi Rosswog, AMSEL44 und VerkehrsWendestadt Wolfsburg

Jan Rübke, ver.di Mitglied, #wirfahrenzusammen Hamburg

Thomas Sablowski, Politologe, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin

Robert Sadowsky, eh. Geschäftsführer IG Metall Gelsenkirchen

Nina Schlosser, Politökonomin, Transformationskolleg der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin der Universität Wien und der RLS, Mitglied bei Die Linke

Johannes Schulten, Journalist, Berlin

Astrid Seegert, Soziologin, Berlin

Knut-Sören Steinkopf, Gewerkschaftssekretär ver.di Bundesverwaltung

Carl Waßmuth, Bahn für Alle + für Gemeingut in BürgerInnenhand, Berlin

Florian Wilde, Referent für internationale Gewerkschaftspolitik, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Hamburg

Maximilian Wilken, communia e.V., Berlin

Markus Wissen, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Janine Wissler, Co-Vorsitzende Die Linke

Florian Witte, Betriebsrat DB Cargo, EVG, Mainz

Fanny Zeise, Referentin für gewerkschaftliche Erneuerung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin