Nachruf auf unseren Freund und Mitstreiter

Thomas Friedrichs (10.05.1959 – 31.01.2025)

Hans-Jürgen Kleine

Ende Januar verstarb unser Mitkämpfer für eine bessere Welt, Dr. Thomas Friedrichs, nach schwerer Krankheit. Mit ihm verlieren wir und allgemein die deutsche Linke einmal mehr einen wertvollen Menschen, der unser Denken mit enormem Scharfsinn zu bereichern vermag und noch viel zur Bewältigung der radikal-ökologischen und sozialen Transformation der zerstörerischen kapitalistischen Verhältnisse hätte beitragen können.

Thomas‘ Vermächtnis ist seine von gekonnter Dialektik und breiter Belesenheit durchdrungene Abhandlung über die ‚Tiefenschichten konkreter Utopie‘, in der er sich mit den komplexen Implikationen von Arbeit, Natur und Bewusstsein bei Ernst Bloch und im gegenwärtigen utopischen Diskurs über das zukünftige „gute Leben“ für alle auseinandersetzt.    

Anders als es der Titel für manche Leser*innen vielleicht vermuten lassen könnte, handelt es sich bei diesem Werk keineswegs um eine von der gesellschaftlichen Realität abgehobene, „philosophische“ Studie eines Menschen, der fernab der politischen Praxis seine Botschaft allein vom Schreibtisch aus verkündet. Vielmehr war Thomas zugleich ein politisch aktiver Mensch (so etwa bei Attac-Krefeld) und folgte darin der alten sozialistischen Weisheit, dass für die revolutionäre Umgestaltung der Verhältnisse die Praxis einen vorderen Rang einnehmen muss. Jede und jeder kann im o.g. Buch für sich fündig werden zu so gut wie allen wesentlichen Themen und Positionen bekannter AutorInnen, die sich mit der wohl schwierigsten historischen Aufgabe der Menschheit befassen bzw. befasst haben: Erfolgversprechende Wege aufzuzeigen, wie wir die sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft bewerkstelligen können.

Thomas war es leider nicht vergönnt, seinen verdienten Ruhestand, in den er gerade erst getreten war, zu genießen und frei von den Zwängen entfremdeter Arbeit seine beeindruckende Klarsicht über die diversen Positionierungen prominenter KapitalismuskritikerInnen und RadikalökologInnen in unsere gemeinsamen Bemühungen zur Sammlung und Stärkung der gesellschaftsverändernden Kräfte weiterhin einzubringen. Zitieren wir aus seinen Schlussgedanken im Buch, denen wir uns vollständig anschließen können, und nehmen uns fest vor, ihren Urheber für immer im Gedächtnis zu behalten:

Wir wollen in diesem Leben vollständig werden, alles richtig haben, das Leben soll geglückt und rund sein, unser Identitäts- und Identifizierungsbedürfnis will glatt aufgehen und abschließend zur Ruhe kommen. Genau diese Haltung ist nach Bloch aufzugeben und loszulassen: Wir sollten nichts Festes wollen, den Strom gesellschaftlicher und menschlicher Entwicklung fließen lassen, statisches Sein durch hoffnungsvolles Werden ersetzen, Realität als in die Zukunft hinein offenes Möglichkeitsfeld erleben, uns selbst als Werdendes begreifen, als Vorform und Suchendes, als Improvisation. Wir sollten in uns Noch-nicht-Bewusstes aufspüren, radikal Neues, das besser wäre, aufhören, uns einzuschränken und den „Bann“ der Geschichte, des Bestehenden immer wieder neu durchbrechen auf den springenden Punkt hin, den dialektischen Sprung in der Geschichte, der aus festgefügter Herrschaft hinausführt in ein Leben, das dann unter gänzlich anderen Vorzeichen als Negation der Negation freie, unbehinderte Entfaltung aller Wesen ermöglichen würde. ( … ) Ich muss mich selbst und damit alles, was ich über die Gesellschaft bin und habe, in Frage stellen. Ich muss das Andere in mir aufsuchen, auch wenn ich es noch nicht kenne und benennen kann.“ (T.F., 473)

In diesem Sinne verabschiedet sich das ‚Netzwerk Ökosozialismus‘ von seinem feinsinnigen und ebenso bescheidenen Weggefährten. 

Hans-Jürgen Kleine