Status und Aussichten des ITER-Plasmaphysik-Experiments.
Ist es an der Zeit, das Projekt zu beenden?

Michael Dittmar: ETH Zürich

Gutachten von Dr. Michael Dittmar im Auftrag der Bündnis 90/Die Grünen
Fraktion im Deutschen Bundestag
10.7.2019

Deutsche Zusammenfassung des Artikels:

Der Internationale Thermonukleare Versuchsreaktor, ITER, eine riesige Tokamak-Plasmaphysik-Anlage für Plasmaphysik, wird seit 2007 in Südfrankreich gebaut. Das ITER-Projekt wurde (um 1985) als wissenschaftliches Experiment gestartet, um herauszufinden, ob die Kernfusionsenergie eine technologische Option für eine friedliche und saubere Stromerzeugung in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts werden könnte. In Teil I dieses Berichts werden die ursprünglichen Versprechen und Hoffnungen des ITER-Experiments, wie sie zwischen 1990 und dem Jahr 2000 vorgestellt wurden, mit den bisherigen Erkenntnissen konfrontiert und insbesondere seit dem Baubeginn vor etwa 10 Jahren. Zum Beispiel war geplant, dass die Experimente mit einem 100 bis 200 Millionen Grad Celsius heißem Plasma etwa 10 Jahre nach Baubeginn beginnen könnten. Außerdem würden nur weitere 5 Jahre erforderlich sein, um eine beträchtliche Nettoenergieproduktion in einem mehrere Minuten anhaltenden Deuterium-Tritium (DT)-Kernfusionsprozess zu gewinnen. Nach diesen Versprechen wurde das Projekt finanziert und begann offiziell im Jahr 2007. Es wurde angenommen, dass mit der Teilnahme Frankreichs (Gastgeberland des Projekts) fast 50 % der 5 Milliarden Euro teuren Baukosten aus dem Wissenschaftsbudget der Europäischen Union kommen würden. Die anderen teilnehmenden Länder (China, Indien, Japan, Russland, Südkorea und die USA) erklärten sich bereit, jeweils etwa 9 % zum Budget beizutragen. Gemäß dem vereinbarten Budget war geplant, dass die Nichtfusionsplasmaexperimente um das Jahr 2019 herum beginnen und dass bis 2025 mit DT-Fusionsexperimenten eine signifikante Nettoenergieerzeugung nachgewiesen werden könnte.
Doch nur wenige Jahre nachdem das Projekt 2007 grünes Licht erhalten hatte, begannen die geschätzten Baukosten zu explodieren, und die ITER-Leitung musste zugeben, dass die ursprünglichen Pläne nicht realisierbar waren. Die letzten Schätzungen von 2018, die sogar von einem drastisch verkleinerten Versuchsprogramm ausgehen, zeigten, dass der Bau mindestens 20 Milliarden Euro kosten. Außerdem werden die ersten grundlegenden Plasmaexperimente voraussichtlich nicht vor Ende 2025 beginnen. Es wurde auch eingeräumt, dass die Fähigkeit zu einer Deuterium-Tritium-Fusion, die signifikante, mehrere Minuten Energie liefern könnte, vor dem Jahr 2040 nicht zu erwarten ist.
Die Deuterium-Tritium-Ergebnisse sind ein „Go/No-Go“-Kriterium für die Verwirklichung einer nuklearen Kernfusion zur Erzeugung elektrischer Energie und für eine realistische erste Auslegung eines  „Demonstrationsreaktors“. Daher kann der geplante Folgereaktor (von ITER), DEMO, der mindestens dreimal so groß sein muss wie ITER, nicht vor dem Jahr 2040 beginnen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erfahrungen, die während des 30-jährigen Entwurfs- und Bauprozesses des ITER-Tokamaks gewonnen wurden, zeigen, dass Tokamaks nicht die Technologie sind, die zu einer kommerziell wettbewerbsfähigen Energieerzeugung führen können.

Alcator C-Mod Fisheye from Hport.jpg, User:Bobmumgaard,2006, Creative Commons Licence