Ein Green New Deal ist der erste Schritt in Richtung einer Ökorevolution

Interview mit John Bellamy Foster

John Bellamy Foster, Professor für Soziologie an der University of Oregon, ist Herausgeber der sozialistischen Zeitschrift „Monthly Review“. Er hat viel über Kapitalismus, Marxismus und ökologische Krisen geschrieben. In diesem Interview diskutiert Foster, warum ein Green New Deal nur der Einstieg in eine ökologische Revolution ist und warum jedes wirtschaftlich-soziale System, das die Klimakrise bewältigen will, über den Kapitalismus hinausgehen muss. Das folgende Interview wurde aus Gründen der Klarheit und Länge leicht bearbeitet.
Vaios Triantafyllou schloss sein Ingenieurstudium an der Harvard University und der University of Pennsylvania ab. Derzeit arbeitet er als Ingenieur im Bereich Abfallwirtschaft und Recycling und absolviert ein Studium an der Universität Oxford.

 

Bild: Monthly Review - Ökosozialistisches Journal

Bestseller des japanischen Marxisten Kohei Saito

Vaios Triantafyllou:

Glauben Sie, dass die Bekämpfung der Klimakrise in einer globalisierten kapitalistischen Wirtschaft machbar ist? Das gängige liberale Narrativ ist, dass finanzielle Anreize und wirtschaftliche Regulierungen zusammen mit boomenden sauberen Technologien eine Lösung für das Problem darstellen können. Wie stehen Sie zum Green New Deal, wie er von der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez vorgeschlagen wurde, und wie ist das Zusammenspiel zwischen Hier und Jetzt und langfristigen, sozialistischen Lösungen?


John Bellamy Foster:

Wir können die Klimakrise, geschweige denn den globalen ökologischen Notfall auf unserem Planeten, nicht effektiv bewältigen und gleichzeitig der Logik einer globalisierten kapitalistischen Wirtschaft folgen. Aber wir leben derzeit in einer solchen Wirtschaft und haben nur sehr kurze Zeit, um auf den Klimawandel zu reagieren. Es stellt sich also die Frage, ob wir uns sofort dafür entscheiden müssen, die Gesellschaft so umzusteuern, dass Mensch und Natur Vorrang vor Profiten haben, im Gegensatz zu dem, was der Kapitalismus tut, nämlich Gewinne vor Mensch und Natur zu stellen. Wir müssen uns gegen die Logik des Systems stellen, auch wenn wir in diesem System leben. Das ist es, was William Morris meinte, wenn er von einer „Bewegung in Richtung Sozialismus“ sprach.

Wir befinden uns in einer Notsituation

Der Kapitalismus ist nicht irgendein System, er ist ein System sozialer Beziehungen und sozio-metabolischer Prozesse. Wir müssen viele dieser Beziehungen und Prozesse radikal und sehr schnell ändern, um mit der aktuellen ökologischen Notstand fertig zu werden. Auf lange Sicht brauchen wir natürlich eine umfassende ökologische und soziale Revolution, die über die bestehenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse hinausgeht. Aber im Moment befinden wir uns in einer Notsituation. Die Abschaffung fossiler Brennstoffe hat oberste Priorität. Das beinhaltet zwangsläufig die Abschaffung dessen, was wir fossiles Kapital nennen. Das Ziel besteht darin, das zu vermeiden, was Erdsystemwissenschaftler als „Treibhaus Erde“ bezeichnen, eine katastrophale unumkehrbaer Klimakatastrophe, die schon in ein paar Jahrzehnten oder in noch kürzerer Zeit eintreten könnte.

Was den Vorschlag der Abgeordneten Ocasio-Cortez zum Green New Deal betrifft, bin ich von einigen Aspekten beeindruckt. Sie fordert eine Massenmobilisierung. Die ist tatsächlich dringend nötig. Sie fordert außerdem innovative Finanzierungsformen, etwa den Aufbau eines Netzwerks öffentlicher Banken zur direkten Finanzierung nach dem Vorbild des New Deal, der finanziert werden soll durch deutlich höhere Spitzensteuersätze für Reiche und Unternehmen, in der Art, wie wir sie in den USA früher schon hatten. Mit diesen Einnahmen könnte eine massive Umstellung auf Solar- und Windenergie finanziert werden. Sie verknüpft das mit einer Vielzahl weiterer gesellschaftlicher Probleme. Doch nichts davon wird wirklich funktionieren, wenn wir lediglich Maßnahmen ergreifen, die sich im Rahmen des aktuellen Systems bewegen. Wir brauchen eine ökologische Revolution. die von einer breiten sozialen Basis getragen ist. Ein radikaler Green New Deal kann bestenfalls der Einstiegspunkt zu einem solchen umfassenderen, ökorevolutionären Wandel sein, der die Selbstmobilisierung der Bevölkerung beinhaltet. Wenn der Green New Deal nicht eine ökologische Revolution auszulösen vermag, wird seine Wirkung gleich Null sein.

Was Ihre Frage zur Rolle finanzieller Anreize und Regulierung betrifft: Keines von Beiden wird für sich genommen als als Strategie funktionieren. Es wäre bloßes Spucken gegen den Wind. Welche Art von finanziellen Anreizen könnten Energieunternehmen denn geboten werden, die über fossile Bodenschätze im Wert von Milliarden Dollar verfügen und ein ureigenes Interesse an diesem System haben? Exxon-Mobil hat erklärt, sie würden alle fossilen Brennstoffe, die sie besitzen und die im Boden vergraben sind, abbauen und verbrennen aus dem schlichten Grund, weil sie sie besitzen und weil sie davon profitieren können. Das tun sie wohlwissend, dass dies ein Todesurteil für die Menschheit wäre. Daran können bloße Anreize welcher Art auch immer nichts ändern. Bisher wurden nicht einmal die Subventionen für die Erkundung fossiler Brennstoffe gestrichen. Regulierung wird im gegenwärtigen System nicht funktionieren, da Unternehmen immer in der Lage sind, die Prozesse der Regulierung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Um die gegenwärtige politisch-ökonomische Energiematrix zu ändern, wären Änderungen bei den Eigentumsverhältnisse an Produktionsmitteln – in diesem Fall bei fossilen Brennstoffen – erforderlich. Da fossile Brennstoffe im Boden bleiben müssten, würde das nicht nur heißen, dass eine Eigentumsübertragung stattfinden müsste. Es würde auch bedeuten, dass die Konzerne Milliarden von Dollar an Finanzanlagen weltweit verlieren würden.

Es gibt keine technologische Lösung

Triantafyllou:

Ein weiteres Argument von Befürwortern des Liberalismus und der kapitalistischen Wirtschaft ist, dass der globale Wettbewerb letztendlich zu technologischen Innovationen führen wird, die Kostensenkungen solchen Ausmaßes zur Folge haben werden, dass damit alle Klimaprobleme gelöst werden. Glauben Sie, dass diese Argumentation ernst genommen werden kann?

John Bellamy Foster:

Ich glaube nicht, dass das ernst genommen werden kann. Es gibt keine rein technologischen Lösungen für das Klimaproblem. Dennoch sind natürlich technische Innovationen notwendig. Es wird viel von absoluter Dekarbonisierung gesprochen, so als wäre das einfach ein technisches Problem. So als ob wir vollständig dekarbonisieren könnten und dabei weiter am kapitalistische Wirtschaftssystem festhalten können. Doch bloße Effizienzinnovationen reichen nicht aus. Wir müssen bis 2050 weltweit die CO2 Emissionen auf Null bringen. Solange wir der Erzielung von Profitseinen höheren Stellenwert einräumen als der Sorge um den Menschen und den Planeten, ist das unmöglich. Seit Hunderten von Jahren steigern wir unsere technische Effizienz kontinuierlich, während die Kollateralschäden für unseren Planeten immer größer werden. Die Realität dahinter ist das sogenannte „Jevons-Paradoxon“. Wie der Ökonom William Stanley Jevons im 19. Jahrhundert feststellte, führte es jedes Mal, wenn eine verbesserte Dampfmaschine entwickelt wurde, die Kohle effizienter als zuvor verbrannte, dazu, dass insgesamt mehr Kohle verbrannt wurde. Dies liegt daran, dass der Kapitalismus als System auf Wirtschaftswachstum und Akkumulation ausgerichtet ist, nicht auf Erhaltung. Alle Effizienzgewinne werden zur Erweiterung und nicht zur Reduzierung des Gesamtdurchsatzes an Energie und natürlichen Ressourcen verwendet.

Wir sind uns des Problems der Erderwärmung seit einem halben Jahrhundert bewusst, aber das System hat nicht reagiert, während sich das Problem rapide verschlimmert hat. Es hat keine absolute Dekarbonisierung gegeben, die den Kohlenstoffausstoß und das Wirtschaftswachstum voneinander entkoppelt. Im Jahr 2018 stiegen die globalen Kohlenstoffemissionen um 2.7 Prozent weltweit, 3.4 Prozent in den Vereinigten Staaten, ungefähr ebenso stark wie das Wirtschaftswachstum. Um zu vermeiden, dass das CO2-Budget in den nächsten ein oder zwei Jahrzehnten den zulässigen Rahmen völlig sprengt, müssen wir pro Jahr die CO2-Emissionen um 2 Prozent senken. Mit einem Wort: Die Situation ist derzeit sehr ernst. Es gibt keine Technologien, die es erlauben, dass wir die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie bisher fortfahren könnten. Die Vorstellung, dass die Technologie es uns ermöglichen werden, mit exponentiellen Steigerungen bei der Akkumulation fortzufahren, ohne unsere Art der Energiegewinnung und unsere Gesellschaftsordnung grundlegend zu verändern, widerspricht der Realität in der Wirtschaft und den Regeln der Physik. Unser einziger Ausweg aus dieser epochalen Krise ist die sofortige Reduzierung der Kohlenstoffemissionen. Das bedeutet: Die fossilen Brennstoffe müssen im Boden bleiben. Das erfordert eine direkte Konfrontation mit dem fossilen Kapital. Anders geht das nicht.

Offensichtlich müssen wir massiv auf Solar- und Windtechnologie umsteigen. Aber das allein würde nicht ausreichen. Wir müssen ändern, was wir produzieren, was wir verbrauchen und wie viel Abfall wir erzeugen. Unser Trumpf besteht darin, dass wir die enorme Verschwendung reduzieren können, die durch die Ungleichheit in unserer Gesellschaft entsteht. Aber das hat mit Entscheidungen zu tun, die wir als Gesellschaft treffen, und es hat mit bestehenden Machtstrukturen und sozialen Beziehungen zu tun. Nichts in unserer heutigen Gesellschaft ist auf Makroebene effizient oder nachhaltig. Wir können das beheben, wenn wir wollen, aber nicht, solange wir der Logik des privaten Profits folgen.

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Marxism and the Climate Crisis (John Bellamy Foster on the ‘Historical Materialism podcast’)

Mit der Logik des Kapitalismus brechen

Vaios Triantafyllou:

Was beinhaltet Ihrer Meinung nach eine sozialistische Umweltpolitik und was sind ihre Grundpfeiler? Wie werden saubere Technologien integriert? Ist es selbstverständlich, dass nach der Überwindung der kapitalistischen Gier und der Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise die Klimakrise lösbar sein wird?

John Bellamy Foster:

Wenn wir zunächst die Fesseln abstreifen, die der Kapitalismus der Gesellschaft anlegt – was eine lange ökologische Revolution und die Schaffung einer nachhaltigen sozialistischen Gesellschaft erfordert – besteht die Möglichkeit, dass wir das Problem bewältigen können. Aber dafür gibt es natürlich keine Garantie. Es hängt auch von den sozialen Strukturen, Institutionen und Organisationformen ab, die wir auf dem Weg dorthin schaffen ab. Es hat mit den von uns eingeleiteten gesellschaftlichen Veränderungen zu tun. Eines ist klar: Bezüglich der Produktion eröffnet eine nachhaltige sozialistische Gesellschaft völlig andere Möglichkeiten – bei den Regeln, nach denen wir produzieren und was wir produzieren. Eine andere Gesellschaft könnte der Schwerpunkt darauf legen, grundlegender Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen, die anfallende Müllmenge zu verringern und auf die Produktion von Gebrauchswerten anstatt von Tauschwerten sich zu verlegen. Hinsichtlich des Einsatzes von Technologie könnten ganz andere Schwerpunkte gesetzt werden. Damit das funktioniert, bedarf es einer demokratischen Planung, und zwar auf lokaler, regionaler und nationaler, ja sogar globaler Ebene. Auch wenn dies alles einige Zeit in Anspruch nehmen würde; Ab dem Moment, in dem wir beginnen, mit der Logik des Kapitals zu brechen, eröffnen sich uns neue Möglichkeiten bezüglich der Befriedigung von Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheiten und des Schutzes der Umwelt.

Im Moment ist unsere Produktion jedoch vor allem auf die Kapitalakkumulation ausgerichtet und dabei zerstören wir fortwährend das Klima. Wir müssen endlich dazu kommen, die Gesellschaft auf rationale Weise zu organisieren. Derzeit hindern uns soziale und klassenmäßige Hindernisse daran. Alle sitzen da und schauen hilflos zu, wie sich häufende und intensivierende Wetterextremen ihre zerstörende Wirkung entfalten. Warum fühlen sich Menschen so hilflos? Das liegt daran, dass alle Entscheidungen von Gewinnerwägungen getrieben sind. Wir fühlen uns an ein System gefesselt, dessen Logik und in unserem alltäglichen Handeln Verhaltensweisen aufzwingt, die wir eigentlich ablehnen.
Keine der derzeit getroffenen Entscheidungen ist von der Suche nach einer nachhaltigen menschlichen Entwicklung geleitet – einfach aufgrund der Tatsache, dass wir in einem kapitalistischen System leben, in dem die Kapitalakkumulation oberste Priorität hat. Wir müssen uns klar machen: Naturgesetze gelten, egal ob das uns gefällt oder nicht. Die sozialen Gesetze, die die Entwicklung bestimmen sind nicht naturgegeben. Sie sind historisch spezifische Systeme, sprich von der Logik des Kapitalismus bestimmte Systeme. Sie können selbstverständlich „missachtet“ werden, wenn sie nicht mehr den sozialen Bedürfnissen der Menschen gerecht werden. Gegenüber den vielen vom Kapitalismus uns künstlich aufgezwungenen Regelwerken ist Ungehorsam geradezu ein Gebot der Stunde.

Ein ineffizientes, verschwenderisches und destruktives System

Vaios Triantafyllou:

Es wird häufig als wichtiger Pluspunkt des Kapitalismus genannt, dass er in der Produktion die Effizienz maximiert. Allerdings geht diese Effizienz stets auf Kosten natürlicher Ressourcen und führt zu Umweltschäden. Glauben Sie, dass es einen Kompromiss zwischen der Maximierung der Effizienz in der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion und der Bekämpfung der Klimakrise geben kann?

John Bellamy Foster:

 

 Nun, zunächst einmal glaube ich nicht, dass der Kapitalismus auf Makroebene besonders effizient ist, während das auf Mikroebene durchaus zutreffen mag. Es hängt also alles davon ab, wie Sie Effizienz definieren. Die vielgepriesene Effizienz des Kapitalismus wird in der zeitgenössischen Ideologie gnadenlos übertrieben. Der Kapitalismus definiert Effizienz hauptsächlich im Hinblick auf Rentabilität. Es gelingt im Kapitalismus in der Regel recht gut, Inputs und Outputs auf relativ effiziente Weise zu kombinieren, um Gewinne zu erwirtschaften, die Arbeitskosten niedrig zu halten und gleichzeitig soziale und ökologische Kosten zu externalisieren. Aber insgesamt ist der Kapitalismus auf der Makroebene (und realistischerweise sogar auf der Mikroebene – da der weitaus größte Teil der Kosten beispielsweise einer Zahnpasta Tube mit dem Marketing verbunden ist) ein sehr ineffizientes, verschwenderisches und destruktives System. Wie könnte man ein System als effizient bezeichnen, wenn es bei seinen alltäglichen Produktionsprozessen ständig als „natürlicher Kollateralschaden“  das Klima und damit die gesamte menschliche Zivilisation zerstört? Schaut man sich die  Landwirtschaft an, so deuten alle wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf hin, dass die Agrarindustrie eine sehr ineffiziente Art der Lebensmittelproduktion ist, obwohl oder gerade weil der effizienteste Weg, monopolistische Gewinne zu erzielen, darin besteht, die Arbeitskosten zu senken und die Preisaufschläge zu maximieren. Im Gegensatz dazu ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft der effizienteste Weg, Nahrungsmittel für die Menschen und die Landnutzung zu produzieren,. Eine verbesserte, kleinbäuerliche Landwirtschaft mit Schwerpunkt auf Permakultur und Biodiversität ist auch hinsichtlich der Bereitstellung von Kohlenstoffsenken überlegen. Eine solche Landwirtschaft ist im Gegensatz zum konzentrierten Kapitalismus arbeitsintensiver, aber in jeder anderen Hinsicht effizienter.

Unsere Wirtschaft basiert auf Verschwendung und ist in die Struktur des Monopolkapitalismus eingebettet. Wir sind in den Vereinigten Staaten sehr „effizient“ bei der Herstellung (oder Auslagerung) von Produkten wie Plastikstrohhalmen, die so billig sind, dass wir sie ein paar Minuten lang in einem Getränk verwenden und sie dann wegwerfen (wo sie sich nicht zersetzen und verderben). in die Ozeane gelangen und von Fischen aufgenommen werden). Danach müssen dann  andere Strohhalme produziert werden, die abermals für einige Minuten verwendet und dann entsorgt werden. Wir verbrauchen täglich Hunderte Millionen Plastikstrohhalme. Wir geben in den Vereinigten Staaten jährlich hunderte Milliarden Dollar für Marketing  (Targeting, Motivationsforschung, Produktmanagement, Werbung, Verkaufsförderung, Direktmarketing) aus. Ein Großteil dieses Marketings wird als Produktionskosten angesehen, aber es geht vor allem darum, Dinge zu verkaufen: Menschen dazu zu bringen, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen oder gar nicht wirklich wollen. Unter Berücksichtigung all dessen ist das kapitalistische System überhaupt nicht effizient. Es ist unglaublich verschwenderisch, das mit Abstand  verschwenderischte System in der Geschichte, begleitet von abgrundtiefer Armut. Es ist nicht effizient, wenn Luft und Wasser so sehr verschmutzt sind, dass die Menschen dazu gezwungen sind, Wasser in Flaschen zu kaufen und so den Gewinn von Konzernen zu steigern.

Wir müssen uns immer fragen, was wir eigentlich produzieren und wie es den Bedürfnissen der Menschen in diesem System dient. Im Augenblick leiden 10 Prozent der Weltbevölkerung unter Unterernährung. Wir müssen Wege finden, wie sie an Nahrung kommen können. In den USA sind  heute jede Nacht eine halbe Million Menschen obdachlos. Wir müssen einen Weg finden, den Menschen Wohnraum usw. zu bieten. Eine wirklich effiziente Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen und nicht der Profite der Konzern Maßstab allen Handelns ist, würde sich darum kümmern, den Menschen Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Bildung, sinnvolle Arbeit und all die anderen Dinge bieten, die die Menschen dringend brauchen.

Triantafyllou:

Bei der Entwicklung eines adäquaten Vorschlags, dafür wie ein besseres Leben aussehen kann,  ist es wichtig, alle Lebensbereiche zu integrieren. Deshalb möchte ich mich dem Zusammenspiel zwischen Ressourcenallokation und direkter Demokratie zuwenden, oder genauer gesagt, dem Verhältnis zwischen zentraler Planung und lokaler Entscheidungsfindung. Besteht bei zentraler Planung notwendigerweise ein Widerspruch zwischen den Bedürfnisse aller Menschen, den verfügbaren Ressourcen und lokaler, demokratischer Entscheidungsfindung? Wenn ja, wie können wir das Gleichgewicht zwischen beiden finden?

 
John Bellamy Foster:

Ich glaube nicht, dass es hier einen antagonistischen  Widerspruch gibt. Um die Art von planetarischen Problemen zu bewältigen, mit denen wir konfrontiert sind, brauchen wir eine Art zentralisierte Planung. Aber lokale, regionale Planung und demokratische Kontrollsysteme müssen in ein Gesamtsystem  integriert sein. Damit ist keine Kommandowirtschaft gemeint, in der alle Entscheidungen an der Spitze getroffen werden. Wie John Kenneth Galbraith zu sagen pflegte, stellen Unternehmen ihre eigene Form von Planungssystem dar. Aber ihre Planung erfolgt innerhalb eines Systems institutionalisierter Gier und Konkurrenz zwischen riesigen monopolistischen Unternehmen und basiert auf der Manipulation der Öffentlichkeit. Das alles hat nichts mit Demokratie zu tun und untergräbt das Wenige, was vom liberal-demokratischen Staat noch übrig ist.

Tatsache ist, dass wir n den Vereinigten Staaten sehr zentralisierte private Institutionen haben, die das kapitalistische System prägen. Der öffentliche Bereich spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle.  Der politische Theoretiker Sheldon Wolin nannte das „umgekehrten Totalitarismus.“ Heute haben wir es mit einem System des Überwachungskapitalismus zu tun. Die  Konzerne und die Klasse der Milliardäre sind die Hauptentscheidungsinstanzen. Sie kontrollieren den Staat und dabei agieren  sie in erster Linie nach  ihrem eigenen Interesse und im Interesse ihrer Aktionäre. Es ist notwendig, hier eine demokratische Planung einzuführen, die uns in Zukunft rationale Entscheidungen und eine echte partizipative Entscheidungsfindung in Bereichen wie der Ökologie ermöglicht.

Wir stehen vor der Situation Zukunftsentscheidungen von viel größerer Tragweite treffen zu müssen, als das früher der Fall war. Im  Kommunistischen Manifest sprachen Karl Marx und Friedrich Engels von der Notwendigkeit einer „revolutionären Neukonstitution der gesamten Gesellschaft als Ganzes. Für den Fall, dass das nicht gelingt, drohe der „ gemeinsame Ruin der konkurrierenden Klassen“. Aber heute betrifft dieser drohende „gemeinsame Ruin“ nicht nur diese oder jene Gesellschaft oder Zivilisation, sondern die Menschheit als Ganzes. Das umfasst die alle künftigen Generationen und kann nahezu als Gewissheit betrachtet werden. Wenn wir weiterhin im „Business as Usual“ Modus bleiben, wird es nahezu sicher auf planetarischer Ebene. zu unwiderruflichen, katastrophalen Veränderungen kommen. Unter diesen schlimmen Umständen gibt es darauf nur eine mögliche Antwort: Die  lange ökologische Revolution.

Der Text erschien erstmalig am 9. Februar  2019 auf der US-amerikanischen Webseite Truthout. Übersetzung: Paul Michel

https://truthout.org/articles/a-green-new-deal-is-the-first-step-toward-an-eco-revolution/

Wir bedanken uns bei der Redaktion von „Truthout“ für die freundliche Genhmigung zur Übersetzung des Artikels.

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