Frankreich muss AKWs wegen Hitzewelle abschalten.

Wirtschafts-Ministerin Reiche will teure AKWs mit EU-Mitteln finanzieren

Autor: Klaus Meier

Kernkraftwerk Grafenrheinfeld - 2013, Autor: Avda, Wikimedia Commons
Im Juni fand in Brüssel das Treffen einer EU-Allianz von Atomkraftbefürwortern statt. Die neue deutsche Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) besuchte dieses Meeting demonstrativ, obwohl Atomkraftwerke und nukleare Sicherheit eindeutig in die Zuständigkeit von Umweltminister Schneider (SPD) fallen. Es geht dabei um einiges: Auf EU-Ebene steht in den kommenden Monaten eine wichtige Entscheidung zu Atomanlagen an. Es soll festgelegt werden, ob und in welchem Umfang AKWs zukünftig aus dem EU-Budget finanziert werden. Die deutsche Regierung muss sich dazu positionieren, und ihre Entscheidung wird von großer Bedeutung sein. Eines ist klar: Katherina Reiche will Atomkraft mit EU-Mitteln fördern. Umweltminister Schneider (SPD), der eigentlich zuständige Minister, lehnte das Vorpreschen Reiches ab – schließlich ist Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen. „Eine Finanzierung von Atomanlagen aus Mitteln der EU wird von Deutschland abgelehnt“, erklärte er. Dieser Konflikt zeigt deutlich, was auf die Umweltbewegung mit der neuen Wirtschaftsministerin Reiche zukommt: Sie will neue Atomkraftwerke bauen, erneuerbare Energien ausbremsen und obendrein noch den Bau klimaschädlicher Gaskraftwerke vorantreiben.

In der Hitzewelle: Atomkraftwerke müssen abgeschaltet werden

Die Absurdität von Reiches Pro-Atom-Politik zeigt sich bei der extremen Hitzewelle in unserem Nachbarland Frankreich. Ende Juni musste dort bereits ein erster Atomreaktor im Südwesten des Landes abgeschaltet werden. Es handelt sich um eine nukleare Anlage am Fluss Garonne. Das Kraftwerk benötigt extrem viel Flusswasser. Dieses wird aus der Garonne entnommen, für die Kühlung der Anlagen verwendet und anschließend im aufgeheizten Zustand an den Fluss zurückgegeben. Aufgrund der extremen Hitzewelle hat die Garonne jedoch bereits eine Temperatur von 28 °C erreicht. Bei einer weiteren Einleitung von aufgewärmtem Kühlwasser droht ein massives Sterben von Fauna und Flora im Fluss (Fische und andere Wassertiere). Deshalb war ein Abschalten des Atomkraftwerks unvermeidlich. Für das westfranzösische Atomkraftwerk Blayais an der Mündung der Gironde und für das im Süden gelegene AKW Bugey, das sein Kühlwasser aus der Rhône bezieht, sind ebenfalls Abschaltungen erforderlich.

Extrem hoher Wasserverbrauch für Atomanlagen

Generell gilt, dass in einer Zeit des sich verschärfenden Klimawandels die Leistung von nuklearen Anlagen immer häufiger heruntergefahren werden muss. Es steht dann schlicht zu wenig Kühlwasser zur Verfügung und eine extreme Überhitzung der Flüsse droht. Frankreich besitzt 56 Atomanlagen an 18 Standorten, die 70 Prozent des französischen Strombedarfs decken. Ihr Wasserbedarf ist jedoch erheblich. Laut einem Bericht der Zeitung Le Monde nutzen die nuklearen Energieanlagen 31 % des jährlichen französischen Wasserverbrauchs. Damit liegen die Atomanlagen auf dem zweiten Platz im Land, direkt hinter der Landwirtschaft mit 45 % und noch vor der Trinkwassernutzung mit 21 % („How much water do French nuclear plants use?“, Le Monde, 26.03.2023). Es zeigt sich, dass das überdimensionierte französische Atomprogramm nicht mehr zu den Gegebenheiten des immer dramatischeren Klimawandels passt. Die Sekretärin der französischen Euro-Grünen brachte es auf den Punkt: „Sagen wir es ein für alle Mal, einfach und deutlich: Bei diesem Tempo wird es bald nicht mehr genug Wasser in unseren Flüssen geben, um die Atomkraftwerke zu kühlen.“

Klimaanlagen und Photovoltaikanlagen

Das Problem wird dadurch verschärft, dass nicht nur die Temperaturen steigen, sondern auch der Stromverbrauch. Dieses relativ neue Phänomen ist direkt auf die zunehmende Ausstattung der französischen Haushalte mit Klimaanlagen zurückzuführen. Bereits im Jahr 2022 nutzten 37 % der Bevölkerung in Frankreich Klimaanlagen. In einer Zeit, in der immer mehr nukleare Stromerzeuger abgeschaltet werden müssen, ist dies besonders fatal. Im Vergleich dazu sind die erneuerbaren Energien von der Hitzewelle unbeeinflusst. Insbesondere Photovoltaik-Anlagen erbringen selbst bei extremer Solareinstrahlung eine hohe Leistung. Vor diesem Hintergrund ist es völlig widersinnig, dass die deutsche Wirtschaftsministerin den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen will, aber gleichzeitig auf anfällige und teure Atomkraftwerke setzt.