Automobiler Leichtbau: Gefahren für Gesundheit, wenig Recycling und viel Energie

Klaus Meier

Das Auto befindet sich als Fort­bewegungsmittel zunehmend in die gesellschaft­liche Kritik: Zu viel Lärm, zu viel Feinstaub, zu hoher Energiever­brauch. Doch die Automobilkonzerne geben sich ungerührt und setzen auf schwere Benzinschlucker, die sog. SUVs (Sports Utility Vehicle). Aber auch die angeblich klimaneutralen Elektroautos gehen genau in die selbe Richtung. Viele wiegen zwei bis drei Tonnen. In den USA errei­chen diese Fahrzeuge bereits einen Marktanteil von 30 Prozent. Auch in Deutschland wird der Absatz von den Konzernen vorangetrieben. Noch vor 2025 sollen hier pro Jahr eine Million SUVs verkauft werden.

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Leichtbau für große Karossen

Doch das politische Umfeld wird für die deutschen Autokonzerne schwieriger. Seit 2020 verlangt die EU einen Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro gefahrenem Autokilometer. Das hat die hiesigen Automobilunternehmen in Schwierigkeiten gebracht. Als Gegenstrategie haben sie irrwitzige Pläne entwickelt. Während sie weiterhin immer größere und schwerere Autos mit einem dadurch verursachten hohen Energieverbrauch entwickeln, wollen sie auf der anderen Seite mit Leichtbaurezepten das Fahrzeuggewicht wieder senken. Genau dieselbe Strategie wird bei den Elektroautos genutzt. Wie macht man tonnenschwere Autos wieder leichter? Das soll allein durch die Verwen­dung neuer Werk­stoffe erreicht wer­den. Dieses Vorgehen wi­derspricht zwar dem ge­sunden Menschen­verstand, aber in der Konzernlogik soll so eine Verringerung des Energieverbrauchs erzielt und weniger CO2 produzieren wer­den. Und die Elektroautos sollen weniger Strom verbrauchen. Welche weiteren Schäden durch den sog. Leichtbau hervorgerufen wird, schert sie nicht.

Mehr Aluminium – welche Folgen?

Im Mittelpunkt dieser Pläne steht heute im Automobilbau der Ersatz von Stahl durch das Leichtmetall Aluminium. Fahrzeuge haben heute einen durchschnittlichen Aluminiumgehalt von 140 kg. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Anteil zukünftig auf 180 kg angesteigen wird. Der Umbau ist be­reits in vollem Gang. So war bereits zur Jahreswende 2014/15 der deut­sche Aluminiummarkt fast leer­gefegt, so groß ist der Run auf dieses Leichtbau­material, vornehmlich hervorgerufen durch die neuen Automobilstrategien. Schätzungen gehen davon aus, dass sich bis 2030 die Weltaluminiumproduktion verdoppeln wird, nicht zuletzt durch den sog. Leichtbau.

Gegen einen wachsenden Aluminiumver­brauch gibt es allerdings schwerwiegende Beden­ken. Zu­nächst aus energetischen Gründen, denn die Herstellung von Aluminium frisst große Strommengen. Um reines Alumi­nium zu gewin­nen, muss vom Rohstoff Alu­miniumoxid der Sau­erstoffanteil in einem Elek­trolyseverfahren abge­trennt werden. Der dafür erforderliche Stromver­brauch ist mit 15 MWh pro Tonne Aluminium nicht zu vernachlässigen: So verbrauchten bereits 2012 die in Deutschland hergestellten 5,4 Millionen Autos allein für das darin enthaltene Aluminium 8,9 Gwh Strom. Das ist so viel wie 2,4 Millio­nen deutsche Durchschnittshaushalte pro Jahr an Strom verbrauchen – natürlich klimaschädlicher Kohlestrom. Und in Zukunft wird es noch viel mehr werden.

Regenwald für deutsche Autos

Doch bereits beim Rohstoffabbau verursacht Alu­minium immense Schäden. Das Mineral aus dem Aluminium gewonnen wird heißt Bauxit. Die deutsche Automobilindustrie bezieht ihren Roh­stoff u.a. aus Guinea. Bauxit wird im großflä­chigen Tagebau ge­wonnen – oft auf vorher gero­deten Urwaldflächen. Eine beispielhafte Bauxit-Förderstätte ist das brasilianische Porto Trom­betas, das im Amazo­nas-Regenwald liegt. Pro Tonne Aluminium ent­stehen hier als Abfallprodukt 6 Tonnen giftiger Rotschlamm. Er enthält hoch­giftige Schwerme­talle und wirkt aufgrund seines hohen Natronlau­gen-Gehalts stark ätzend. Der Schlamm wird un­gefiltert in einen nahen See ge­leitet, der mittler­weile als biologisch tot gilt. Das Wasser des an­grenzenden Flusses Rio Sapone kann nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden. Bei der einheimischen Bevölkerung nehmen Krebs und andere schwere Erkrankungen zu.

Soviel zu den Folgen den der Leichtbau der deutschen Autokonzerne an anderer Stelle per Fernwirkung hervorruft. Doch die Fahr­zeugindustrie hat neben dem Aluminium noch einen ande­ren Leichtbaupfeil im Kö­cher: CFK.

CFK: Wundermaterial für Autos?

CFK steht für „Carbonfaser verstärkter Kunst­stoff“. Um was für einen Stoff handelt es sich da­bei? Grundlage dieses Materials sind extrem dünne Kohlen­stofffasern, die zu Textilien ver­woben sind. Sie wer­den in eine Form gelegt und mit flüssigem Kunst­stoff durchtränkt. Nach dem Trocknen ist ein CFK-Bauteil entstanden. Es ist fester als Stahl und dies bei einem Gewicht, das sogar noch deutlich unter dem von Aluminium liegt. Beim Ein­bau dieser Teile in Fahrzeuge kann man eine merkli­che Kraftstoffersparnis erzielen, denn der Ener­gieverbrauch ist letztlich ab­hängig vom Gewicht. Doch noch hat das Zeitalter dieses neuen Werkstoffs nicht be­gonnen. Er ist einfach noch zu teuer, da er bisher mit handwerklichen Techniken in Kleinunternehmen hergestellt wird. Aber Hochschulen und Industrie arbeiten mit Hochdruck an auto­matisierten Verfahren, um CFK-Bauteile in Großserie herstellen zu können. Dass dies erreicht wird, ist absehbar. Dann wird der CFK-Anteil in Autos rapide anstei­gen. Der Münchener Autokonzern BMW ist einer der Vor­reiter auf diesem Weg. So wurden bereits die Karosserien seiner ers­ten Elektroautos, die Mo­delle I3 und I8, zu einem großen Teil aus CFK hergestellt.

Lungengängiger CFK-Faserstaub

Doch das neue Wundermaterial ist mit er­heblichen Problemen belastet. Bei der me­chanischen Bearbeitung von CFK, z.B. beim Bohren oder Fräsen, bricht das Mate­rial in kleinste lungengängige Splitter und Fasern. Eingeatmet kann ihre Wirkung mit dem Pro­blemstoff Asbest verglichen wer­den. In wis­senschaftlichen Studien wurde festgestellt, dass Krebs eine Langzeitfolge nach der In­halation von faserverstärktem Kunststoffs­taub sein kann. Bisher kommt CFK vor al­lem in Kleinunternehmen zum Einsatz. Die dort arbei­tenden Lohnabhängigen sind die­sem neuen Pro­blemstoff in vielen Fällen schutzlos ausgeliefert und ruinieren so ihre Gesundheit.

Doch diese Probleme mit CFK treten nicht nur für die Beschäftigten auf. Auch Besitzer von Fahr­zeugen mit einem hohen CFK-An­teil könnten in Gefahr geraten. Im Septem­ber 2014 beschrieb die Zeitschrift ADAC Motorwelt ein Unfallszena­rio, wie es zukünf­tig eintreten könnte: Ein Schwerverletzter ist nach einem schweren Crash in seinem Auto eingeklemmt. Bevor Feuer­wehrleute mit großen hydraulischen Scheren das zerdellte Fahrzeuggehäuse auftrennen kön­nen, muss das Unfallopfer mit Plastikfolien und einer Atemschutzmaske vor dem ent­stehenden CF­K-Faserstaub geschützt wer­den. Ob dies bei einem wirklichen Unfall möglich sein wird ist fraglich.

CFK-Metall-Verbund: Recycling kaum noch möglich

Doch die CFK-Autos verursachen ein weite­res Problem. Um Bauteile aus CFK und Me­tall mit­einander verbinden zu können, ist klassisches Metallschweißen oder Ver­schrauben nicht mehr möglich. Stattdessen müssen sie verklebt wer­den. So wird in CF­K-Autos bis zu 20 kg Klebstoff eingesetzt. Es entstehen so hochfeste Me­tall-CFK-Verbundbauteile. Wie die umweltgerecht re­cycelt werden sollen ist ein Rätsel. Bereits für CFK allein ist das Recycling hochproblematisch und es gibt nur vereinzelte Untersuchungen dazu. Denen zu­folge kann das Material nur bei hohem Energie­einsatz und höchsten Temperatu­ren in mehrstufi­gen Drehrohr-Sonderabfall-Ver­brennungsanlagen in seine Bestandteile zerlegt werden. Ein äußerst aufwendiges, energiefressendes und teures Verfahren. Aber sperrige CFK-Metall-Verbund­bauteile po­tenzieren die Recyclingprobleme noch einmal. Die Autokonzerne sind mit dem geplan­ten massi­ven CFK-Einsatz in Millionen von Autos offensichtlich drauf und dran der Gesellschaft ein neues massives Umweltpro­blem aufzuladen.

Die bürgerlichen Politiker sehen heute dem Leichtbautreiben der Automobilkonzerne einmal mehr tatenlos zu. Es liegt an den Umweltorganisationen und Gewerkschaften diesen Irrsinn anzuprangern und zu bekämpfen.

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