Doch das politische Umfeld wird für die deutschen Autokonzerne schwieriger. Seit 2020 verlangt die EU einen Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro gefahrenem Autokilometer. Das hat die hiesigen Automobilunternehmen in Schwierigkeiten gebracht. Als Gegenstrategie haben sie irrwitzige Pläne entwickelt. Während sie weiterhin immer größere und schwerere Autos mit einem dadurch verursachten hohen Energieverbrauch entwickeln, wollen sie auf der anderen Seite mit Leichtbaurezepten das Fahrzeuggewicht wieder senken. Genau dieselbe Strategie wird bei den Elektroautos genutzt. Wie macht man tonnenschwere Autos wieder leichter? Das soll allein durch die Verwendung neuer Werkstoffe erreicht werden. Dieses Vorgehen widerspricht zwar dem gesunden Menschenverstand, aber in der Konzernlogik soll so eine Verringerung des Energieverbrauchs erzielt und weniger CO2 produzieren werden. Und die Elektroautos sollen weniger Strom verbrauchen. Welche weiteren Schäden durch den sog. Leichtbau hervorgerufen wird, schert sie nicht.
Im Mittelpunkt dieser Pläne steht heute im Automobilbau der Ersatz von Stahl durch das Leichtmetall Aluminium. Fahrzeuge haben heute einen durchschnittlichen Aluminiumgehalt von 140 kg. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Anteil zukünftig auf 180 kg angesteigen wird. Der Umbau ist bereits in vollem Gang. So war bereits zur Jahreswende 2014/15 der deutsche Aluminiummarkt fast leergefegt, so groß ist der Run auf dieses Leichtbaumaterial, vornehmlich hervorgerufen durch die neuen Automobilstrategien. Schätzungen gehen davon aus, dass sich bis 2030 die Weltaluminiumproduktion verdoppeln wird, nicht zuletzt durch den sog. Leichtbau.
Gegen einen wachsenden Aluminiumverbrauch gibt es allerdings schwerwiegende Bedenken. Zunächst aus energetischen Gründen, denn die Herstellung von Aluminium frisst große Strommengen. Um reines Aluminium zu gewinnen, muss vom Rohstoff Aluminiumoxid der Sauerstoffanteil in einem Elektrolyseverfahren abgetrennt werden. Der dafür erforderliche Stromverbrauch ist mit 15 MWh pro Tonne Aluminium nicht zu vernachlässigen: So verbrauchten bereits 2012 die in Deutschland hergestellten 5,4 Millionen Autos allein für das darin enthaltene Aluminium 8,9 Gwh Strom. Das ist so viel wie 2,4 Millionen deutsche Durchschnittshaushalte pro Jahr an Strom verbrauchen – natürlich klimaschädlicher Kohlestrom. Und in Zukunft wird es noch viel mehr werden.
Doch bereits beim Rohstoffabbau verursacht Aluminium immense Schäden. Das Mineral aus dem Aluminium gewonnen wird heißt Bauxit. Die deutsche Automobilindustrie bezieht ihren Rohstoff u.a. aus Guinea. Bauxit wird im großflächigen Tagebau gewonnen – oft auf vorher gerodeten Urwaldflächen. Eine beispielhafte Bauxit-Förderstätte ist das brasilianische Porto Trombetas, das im Amazonas-Regenwald liegt. Pro Tonne Aluminium entstehen hier als Abfallprodukt 6 Tonnen giftiger Rotschlamm. Er enthält hochgiftige Schwermetalle und wirkt aufgrund seines hohen Natronlaugen-Gehalts stark ätzend. Der Schlamm wird ungefiltert in einen nahen See geleitet, der mittlerweile als biologisch tot gilt. Das Wasser des angrenzenden Flusses Rio Sapone kann nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden. Bei der einheimischen Bevölkerung nehmen Krebs und andere schwere Erkrankungen zu.
Soviel zu den Folgen den der Leichtbau der deutschen Autokonzerne an anderer Stelle per Fernwirkung hervorruft. Doch die Fahrzeugindustrie hat neben dem Aluminium noch einen anderen Leichtbaupfeil im Köcher: CFK.
CFK steht für „Carbonfaser verstärkter Kunststoff“. Um was für einen Stoff handelt es sich dabei? Grundlage dieses Materials sind extrem dünne Kohlenstofffasern, die zu Textilien verwoben sind. Sie werden in eine Form gelegt und mit flüssigem Kunststoff durchtränkt. Nach dem Trocknen ist ein CFK-Bauteil entstanden. Es ist fester als Stahl und dies bei einem Gewicht, das sogar noch deutlich unter dem von Aluminium liegt. Beim Einbau dieser Teile in Fahrzeuge kann man eine merkliche Kraftstoffersparnis erzielen, denn der Energieverbrauch ist letztlich abhängig vom Gewicht. Doch noch hat das Zeitalter dieses neuen Werkstoffs nicht begonnen. Er ist einfach noch zu teuer, da er bisher mit handwerklichen Techniken in Kleinunternehmen hergestellt wird. Aber Hochschulen und Industrie arbeiten mit Hochdruck an automatisierten Verfahren, um CFK-Bauteile in Großserie herstellen zu können. Dass dies erreicht wird, ist absehbar. Dann wird der CFK-Anteil in Autos rapide ansteigen. Der Münchener Autokonzern BMW ist einer der Vorreiter auf diesem Weg. So wurden bereits die Karosserien seiner ersten Elektroautos, die Modelle I3 und I8, zu einem großen Teil aus CFK hergestellt.
Doch das neue Wundermaterial ist mit erheblichen Problemen belastet. Bei der mechanischen Bearbeitung von CFK, z.B. beim Bohren oder Fräsen, bricht das Material in kleinste lungengängige Splitter und Fasern. Eingeatmet kann ihre Wirkung mit dem Problemstoff Asbest verglichen werden. In wissenschaftlichen Studien wurde festgestellt, dass Krebs eine Langzeitfolge nach der Inhalation von faserverstärktem Kunststoffstaub sein kann. Bisher kommt CFK vor allem in Kleinunternehmen zum Einsatz. Die dort arbeitenden Lohnabhängigen sind diesem neuen Problemstoff in vielen Fällen schutzlos ausgeliefert und ruinieren so ihre Gesundheit.
Doch diese Probleme mit CFK treten nicht nur für die Beschäftigten auf. Auch Besitzer von Fahrzeugen mit einem hohen CFK-Anteil könnten in Gefahr geraten. Im September 2014 beschrieb die Zeitschrift ADAC Motorwelt ein Unfallszenario, wie es zukünftig eintreten könnte: Ein Schwerverletzter ist nach einem schweren Crash in seinem Auto eingeklemmt. Bevor Feuerwehrleute mit großen hydraulischen Scheren das zerdellte Fahrzeuggehäuse auftrennen können, muss das Unfallopfer mit Plastikfolien und einer Atemschutzmaske vor dem entstehenden CFK-Faserstaub geschützt werden. Ob dies bei einem wirklichen Unfall möglich sein wird ist fraglich.
Doch die CFK-Autos verursachen ein weiteres Problem. Um Bauteile aus CFK und Metall miteinander verbinden zu können, ist klassisches Metallschweißen oder Verschrauben nicht mehr möglich. Stattdessen müssen sie verklebt werden. So wird in CFK-Autos bis zu 20 kg Klebstoff eingesetzt. Es entstehen so hochfeste Metall-CFK-Verbundbauteile. Wie die umweltgerecht recycelt werden sollen ist ein Rätsel. Bereits für CFK allein ist das Recycling hochproblematisch und es gibt nur vereinzelte Untersuchungen dazu. Denen zufolge kann das Material nur bei hohem Energieeinsatz und höchsten Temperaturen in mehrstufigen Drehrohr-Sonderabfall-Verbrennungsanlagen in seine Bestandteile zerlegt werden. Ein äußerst aufwendiges, energiefressendes und teures Verfahren. Aber sperrige CFK-Metall-Verbundbauteile potenzieren die Recyclingprobleme noch einmal. Die Autokonzerne sind mit dem geplanten massiven CFK-Einsatz in Millionen von Autos offensichtlich drauf und dran der Gesellschaft ein neues massives Umweltproblem aufzuladen.
Die bürgerlichen Politiker sehen heute dem Leichtbautreiben der Automobilkonzerne einmal mehr tatenlos zu. Es liegt an den Umweltorganisationen und Gewerkschaften diesen Irrsinn anzuprangern und zu bekämpfen.
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