Als der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Umstellung des Heizsystems auf Wärmepumpen versuchte, traf er auf eine geschlossene Front von Gegnern. Eine zentrale Rolle spielten dabei die Medien des Springer-Verlages „Bild“ und „Welt“. Besonders schrill gebärdete sich die „Bild“-Zeitung, die 2023 über mehrere Monate fast jeden Tag Schlagzeilen zu „Habecks Heizhammer“ lieferte. Auch die FDP und die Union ließen sich für die Anti-Wärmepumpen-Kampagne instrumentalisieren. Jens Spahn erklärte offen: „Die CDU, zumindest ich, will diese Technologie nicht!“ Zumindest sollte sie nicht im großen Maßstab eingeführt werden und auch nicht aus deutscher Produktion, so Spahn. Da half es auch nichts, dass der Geschäftsführer des Heizungsbauers Stiebel Eltron nach Spahns Rede die CDU beschwor: „Macht keinen Scheiß!“ Die Mahnung verhallte im Wind. Die Kampagne wurde statt dessen immer absurder. So behauptete der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats sogar, dass das Heizungsgesetz „große Teile der Vermögen der Bundesbürger vernichten“ würde. In das gleiche Horn stieß Peter Ramsauer (CSU) und betonte dabei seine Unterstützung für Erdgas: „Wenn ich mein Haus fast entkernen müsste, die Fußböden rausreißen, da Fußbodenheizungen installieren […], was sich finanziell und wirtschaftlich nicht trägt, dann würde ich natürlich in der Situation eine Gasheizung einbauen.“
Neutrale Beobachter aus dem europäischen Ausland konnten nur noch den Kopf schütteln und fragten sich, woher diese absurde Wut gegen die Wärmepumpe herrührte. Tatsächlich war die gesamte Kampagne von Lobbyisten gesteuert. Um die Hintergründe zu verstehen, hilft ein Blick auf die wirtschaftlichen Interessen. So würde eine flächendeckende Einführung von Wärmepumpen zu einem starken Einbruch des hiesigen Erdgasgeschäftes führen. Keine Kleinigkeit für die Gas-Lobbyisten, denn es wird noch die Hälfte der rund 40 Millionen Wohnungen in Deutschland mit Erdgas beheizt. Auch der Erdölverbrauch würde zurückgehen, denn ein Viertel aller Heizungen werden mit Öl betrieben.
Eine umfassende Wärmepumpen-Einführung würde vor allem die großen Energiekonzerne treffen, die im deutschen Erdgas-Sektor tätig sind. Dazu gehören E.ON, RWE, Vattenfall oder auch EnBW. Sie sind traditionell eng mit der Politik eng verflochten, was sowohl für die regionale als auch die bundesweite Ebene gilt. Ein prominentes Beispiel ist der Altkanzler Gerhard Schröder, der sich vehement für die Nordstream-Erdgasleitungen eingesetzt hat. Die Organisation LobbyControl wies darauf hin, dass die Unternehmen, die im deutschen Gasgeschäft tätig sind, allein im Jahr 2021 mehr als 40 Millionen Euro für ihre Lobbyarbeit ausgegeben haben und rund 410 Lobbyist:innen beschäftigten. Auch nach dem Scheitern des Nord-Stream-Projekts ist die Gaslobby noch immer sehr aktiv. Sie vermarktet Erdgas als angeblich wichtigen Teil der Energiewende. Sie unterstützt massiv den Aufbau milliardenschwerer neuer Gaskraftwerke und das fortgesetzte Heizen mit Gas. Tatsächlich ist Erdgas aber nicht klimafreundlich. Im Gegenteil. Beim Verbrennen entsteht CO₂, und entlang der gesamten Gaslieferkette wird besonders klimaschädliches Methan freigesetzt. Die Erzählung von der vermeintlich sauberen und klimafreundlichen Erdgas-„Brückentechnologie“ ist daher komplett irreführend.
Die Macht der Gasindustrie zeigt sich auch bei einem Blick auf die riesige Gas-Infrastruktur. Die deutschen Gasnetze bestehen aus einem Fernleitungsnetz und und einem Verteilnetz. Zusammen haben sie eine Länge von rund 600.000 Kilometern. Zur Infrastruktur gehören auch noch 44 große Untertage-Gasspeicher mit einer Speicherkapazität von 23 Milliarden Kubikmetern, die über Deutschland verteilt sind und in bis zu 2.000 Metern Tiefe liegen. Der größte deutsche Erdgas-Verteilnetzbetreiber ist der E.ON-Konzern. Er allein kontrolliert Gasnetze mit einer Länge von 100.000 Kilometern. E.ON besitzt zahlreiche Subunternehmen wie die Westenergie oder die E.ON Hanse, denen die Geschäfte in den einzelnen Regionen zugeordnet sind. E.ON hatte im Jahr 2023 einen Umsatz von rund 94 Milliarden Euro und 74.000 Beschäftigte. Im selben Jahr hat E.ON ein bereinigtes Konzern-EBITDA von 9,4 Mrd. EUR erzielt, der bereinigte Konzernüberschuss belief sich auf 3,1 Mrd. EUR.
Die im Erdgas tätigen Konzerne importierten 2024 rund 865 Terawattstunden Erdgas nach Deutschland. Hauptabnehmer von Erdgas in Deutschland sind rund 20 Millionen Wohnungen sowie 1,8 Millionen Unternehmen in der Industrie und im Handel. Dazu kommt noch der Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung und für die kommunale Fernwärme. Es ist ein richtiges wirtschaftliches Imperium, das im Gassektor existiert. Als der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck verkündete, dass wir aus ökologischen Gründen das Heizen mit Gas beenden und auf Wärmepumpen umsteigen müssen, ging die Gas-Lobby sofort in Frontstellung und zog dabei alle Register. Sie konnte sich dabei auf ihr zahlreichen politischen Netzwerke und ihre große wirtschaftliche Macht stützen.
In der Zwischenzeit hat sich die absurde Desinformationskampagne gegen die Wärmepumpe etwas beruhigt. Ein schneller Umstieg auf Wärmepumpen ist allerdings verhindert worden. Mit einer Koalition aus Union und SPD dürfte es aus der Sicht der Lobbyisten zunächst auch keine Bedrohung mehr für ihre wirtschaftlichen Interessen geben. Dazu kommt, dass die deutsche Gasindustrie nun mit Katherina Reiche eine Wirtschaftsministerin im Amt hat, die selbst direkt aus der Gasbranche kommt. Die Brandenburgerin war vorher Chefin der E.ON-Tochter Westenergie und in dieser Zeit verantwortlich für 10.000 Beschäftigte, 38.000 Kilometer Gasnetze vom Emsland bis zum Hunsrück und stand für einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro. Der grüne Fraktionsvize brachte es auf den Punkt, als er darauf hinwies, dass sie in nur wenigen Tagen von der Gas-Managerin zur Gas-Ministerin mutiert sei. Und Katherina Reiche scheint die Wünsche der Lobbyisten erfüllen zu wollen. Bereits kurz nach Amtsantritt kündigte sie an, „mindestens 20 Gigawatt Gaskraftwerke“ ausschreiben zu wollen.
Während der Koalitionsvertrag noch von einer Klimaneutralität bis 2045 spricht, hat Reiche längst begonnen, dieses Ziel in Frage zu stellen. Deutschland habe ein „völlig überzogenes Erneuerbaren-Ziel“ erklärte sie. Das Pariser Klimaabkommen fordere schließlich nur Klimaneutralität ab 2050. Frech fügte sie hinzu: „Ich weiß nicht, ob sich das jemand wirklich durchgerechnet hat.“ Auch die anderen Botschaften Reiches klingen eindeutig: Sie will noch weniger Klimaschutz als Schwarz-Rot ohnehin plant. Den Zubau erneuerbarer Energien will sie offensichtlich drosseln: Dazu hat sie einen Monitoringbericht zum Strombedarf in Auftrag gegeben, der die Datengrundlage für den Ausbau von Wind- und Solaranlagen überprüfen soll. Als ob es nicht bereits zahlreiche Untersuchungen und allseits bekannte Fakten zu dem Thema geben würde. Aber Reiche will das Ergebnis des Monitoring-Berichtes offenbar nutzen, um die Energiewende zurückzudrehen. Selbst das Springerblatt „Welt“ sieht das so, als es titelte: „ Mit diesem Gutachten bereitet die Wirtschaftsministerin ihre Energiewende-Wende vor.“ Mit der Arbeit betraut hat Katherina Reiche das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI). Das Ergebnis dürfte wunschgemäß ausfallen. Im Förderverein des EWI sitzen schließlich die VertreterInnen von E.ON und Reiches vorherigem Arbeitgeber Westenergie. Formaler Hauptauftragnehmer ist zwar das Beratungsunternehmen BET, aber das arbeitet eng mit dem EWI zusammen. Da BET einen Rahmenvertrag mit dem Wirtschaftsministerium hat, brauchte es für die Monitoring-Studie noch nicht einmal eine vorherige Ausschreibung. So wird „Wissenschaft“ gemacht. (siehe: TAZ „Die neue Gas-Ministerin“, 27.06.2025).
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