Die Autokonzerne behaupten, dass sie gerade dabei seien, eine grüneTransformation ihrer Branche einzuleiten. Doch in der Realität ist dies häufig nur ein Vorwand für die Schließung von Standorten in der Region. Bisher sind es vor allem die Autozulieferer, die einen massivem Arbeitsplatzabbau und Standortschließungen betreiben. Dabei werden die bisherigen Tätigkeiten keineswegs eingestellt, sondern häufig in Billiglohnländer nach Osteuropa verlagert. Roman Zitzelsberger, IG Metall Chef von Baden-Württemberg, äußerte dazu: „Wir stellen fest, dass ein erheblicher Teil der Zulieferer plant, neue Komponenten für Elektromobilität tendenziell eher in Low-Cost-Countries zu verlagern oder, um den neuen Sprech zu bemühen: in Best-Cost-Countries.“ Dazu einige Beispiele: Der Autozulieferer Mahle machte sein Werk in Öhringen dicht und verlagerte die Arbeit nach Rumänien; Mahle Gaildorf nach Polen; Bosch Bietigheim-Bissingen nach Ungarn; Eberspächer nach Polen.
Zunehmend sind auch die Werke der großen Autokonzernen betroffen. Für das Fordwerk in Saarlouis mit 5000 Beschäftigten samt 2000 Zuliefererarbeitsplätzen ist die Standortschließung bereits beschlossen. Auch die 1300 Beschäftigten des Opel-Werks in Eisenach haben allen Anlass zur Sorge, dass die Stellantis-Bosse alsbald ihr Werk dichtmachen werden. Selbst VW droht in Turbulenzen zu geraten. Das gilt besonders, seitdem der chinesischen Absatzmarkt des Wolfsburger Konzerns in Schwierigkeiten geraten ist. Er läuft im Bereich Elektromobilität auf null zu und droht von der chinesischen Konkurrenz abgehängt zu werden. Ein Desaster, denn vier von zehn Fahrzeugen verkaufte der Konzern bisher in China. Doch auch in Europa wird es für VW schwerer. Der Markenchef erklärte im Spätsommer vor 2000 Managern: „Die Zukunft der Marke VW steht auf dem Spiel“. Alles müsste jetzt „auf den Prüfstand“. Die „Kosten seien zu hoch“.
Inzwischen orientieren fast alle Autokonzerne auf Elektro-Autos. Und sie werden nicht müde, diese Fahrzeuge als die ökologische Alternative zu
präsentieren. Elektroautos verbrennen zwar im Betrieb keine fossilen Rohstoffe. Aber ihre Ressourcenbilanz ist katastrophal. Das Schürfen und Verarbeiten der seltenen Rohstoffe Graphit, Kobalt, Nickel, Neodym oder Lithium ist mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Je größer die Batterie, umso größer der Umweltschaden. Beim aktuellen Strommix muss ein schwerer E-SUV 130 000 km fahren, bis der „ökogische Rucksack“ abgetragen ist und die Klimavorteile eines E-Pkw im Verkehr überhaupt erst relevant werden.
Dazu kommt, dass die Gewinnung der Batterierohstoffe die Abbaugebiete vergiftet und dramatische Folgen für die ansässige Bevölkerung hat.
Bereits jetzt werden immer neue Minen aufgemacht und ein Einstieg in den besonders zerstörerischen Tiefseebergbau ist in Vorbereitung. E-Autos sind keine Alternative zu den Verbrennern, sondern ihre massenhafte Produktion steht für die Fortsetzung der ökologischen Verwüstung unseres Planeten.
Eine verantwortungsbewusste Bilanz der bereits aufgetretenen Umweltschäden und die Anerkennung der Begrenztheit unseres Planeten führen nur zu einer Schlussfolgerung: Einen ressourcenfressenden Autoindividualverkehr können wir uns nicht mehr leisten. Eine Alternative ist durchaus sichtbar: Dazu gehört ein gut ausgebauter öffentlicher Schienenverkehr, ein gut getaktetes Bussystem, lokale urbane Seilbahnen und auch ein umfassendes und sicheres Fahrradnetz. Es würden in einem solchen System zwar auch noch Pkws erforderlich –aber in deutlich geringerer Zahl. Nötig wären z.B. E-Taxis oder Betriebs- und Handwerkerfahrzeuge. Dazu käme eine begrenzte Zahl von gemeinschaftlich nutzbaren Car-Sharing-Fahrzeugen, insbesondere um für die Menschen auf dem Land eine gute Mobilität zu ermöglichen.
Ein weiteres Problem ist die wachsende Zahl von Lastwagen. Verkehrsminister Wissing verkündete jüngst, dass in den nächsten drei Jahrzehnten der LKW-Verkehr auf den Straßen um 54 % ansteigen würde. Das wäre die direkte Fahrt in die ökologische Katastrophe: Mehr Lärm, noch mehr Straßenbelastung und eine weitere Asphaltierung der Landschaft. Wissing sieht das als unabänderliches Naturgesetz. Das muss aber nicht sein. So würde eine geringere Autoproduktion oder die Herstellung von weniger kurzlebigen und reparaturfeindlichen Wegwerfprodukten automatisch zu weniger LKW-Transporten führen. Zudem bräuchte es ordnungsrechtliche Maßnahmen, um eine Regionalisierung der Produktion zu erreichen. Um ein Beispiel zu nennen: Es ist völlig unverständlich, warum Milchprodukte aus dem Allgäu nach Norddeutschland transportiert und im Gegenzug norddeutsche Milch in den Süden geliefert werden muss.
Ein weiterer Grund für die endlosen LkW-Schlangen auf den Autobahnen ist die Just-in-Time“-Produktion“. Bei »Just in Time« wird die Lagerhaltung praktisch auf Schiffe, Bahnen oder LKW verlegt. Statt eventuell benötigtes Material länger auf Lager zu halten, werden dabei genau die benötigten Teile zeitlich passgenau angeliefert. »Just in Time« spart für die Firmen Lagerkosten. Das führt allerdings dazu, dass Güter nicht nur quer durch Deutschland transportiert werden, sondern auch durch ganz Europa und rund um den Globus. Eine Abkehr weg von der Just-in-Time Produktion zu mehr Lagerhaltung und eine Rücknahme der Produktion von globalen Lieferketten auf regionale oder lokale Produktion, würde den LKW Verkehr beträchtlich reduzieren und wäre zweifelsohne ein Segen für die Umwelt. Vom dann immer noch anfallenden Lieferverkehr könnte ein Großteil, insbesondere der über lange Distanzen, auf die Schienen verlagert werden. In diesem Fall bräuchte man nur noch einen LKW-Einsatz zur Überbrückung der „letzten Meile“ vom Güterbahnhof zu lokalen Unternehmen.
Eine überschlägige Rechnung zeigt, dass für die Verlagerung eines Großteils des heutigen Automobilverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel, das Bahn- und Bussystem um den Faktor 2,5 ausgebaut werden müsste. Dafür reichen die Kapazitäten der heutigen Bahn- und Bushersteller nicht aus. So kommt die deutsche Bahnindustrie insgesamt gerade mal auf 12 Milliarden Umsatz und nur 55.000 Beschäftigte. Bereits jetzt reichen diese Kapazitäten kaum für eine Sanierung der heruntergewirtschafteten Eisenbahnstrecken, geschweige denn für den Aufbau eines ökologischen Verkehrssystems. Aber es gibt eine Lösung: Die Umstellung eines großen Teils der heutigen Autoindustrie auf die Produktion von Eisen- und Straßenbahnen, Bussen, Kleinbussen und Sammeltaxis. Zusätzlich muss die Bahninfrastruktur ausgebaut werden. Das bedeutet: Bei einem Ausstieg aus dem Autoindividualverkehr werden die Beschäftigten in der Autoindustrie weiter gebraucht. Aber die Produktion müsste umgestellt werden. Doch geht das auch? Dazu ein aktuelles Beispiel: Der Automobil-Zulieferer Continental verkündete im August 2023 die Schließung für sein Werk im niedersächsischen Gifhorn. Doch nach Protesten der Belegschaft, des Betriebsrats und der IG Metall wird das Werk von Stiebel Eltron übernommen. Statt Autokomponenten werden die 850 Beschäftigten in Gifhorn künftig Komponenten für Wärmepumpen fertigen. Genauso könnten in vielen Automobil-Werken auch Eisenbahnen und Busse hergestellt werden. Weitere Arbeitsplätze müssten geschaffen werden, wenn die Bahn nach einer Umwandlung von einer Börsenbahn zu einer Bürger*innenbahn endlich den Service bieten würde, der möglich und auch erforderlich ist, um deutlich größere Teile der Bevölkerung dazu zu motivieren, ihre Autos abzuschaffen und stattdessen sich mit Bahnen, Bussen, Fahrrad und den eigenen zwei Beinen fortzubewegen.
Die Autoindustrie, die Bahnindustrie und die Luftfahrtbranche sollten nach einer Konversion in eine integrierte Mobilitätsbranche überführt werden, in der die Produktion von Autos nur noch eine untergeordnete Rolle spielen sollte. Es braucht eine enge Verzahnung der bisher getrennt, oft gegeneinander arbeitenden Sektoren Autoindustrie, Luftfahrt und Bahnindustrie. Alle drei Branchen sollten in öffentliches Eigentum überführt werden, um die vielfältigen erforderlichen Maßnahmen miteinander zu koordinieren: Paralleler Ausbau der Bus- und Bahnnetze bei gleichzeitigem Abbau der Kapazitäten in der Autoindustrie. Vorstellbar wäre eine öffentliche Verkehrsbehörde, eine Art
„Bundesnetzagentur Mobilität“ mit den Säulen für Individualverkehr, öffentlicher Verkehr, Flugverkehr sowie Fußgänger- und Radverkehr.
Klar ist, dass die deutschen Autokonzerne sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen ökologisch-soziale Umstrukturierungsmaßnahmen wehren werden. Es kommt darauf an, dass Klimaktivist*innen und Belegschaften in den verschiedenen Sektoren der Mobilitätsbranche zusammenarbeiten und eine breite, dynamische Bewegung schaffen, die auch wichtige Teile der
gesamten Gesellschaft miteinbezieht. Das ist gewiss keine einfache Aufgabe. Aber die drohende Klimakatastrophe zeigt, dass wir keine andere Wahl mehr haben. Wie sagte doch Bertolt Brecht?
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