Was tun gegen die wachsende Müllflut?

Wegwerfverpackungen und Gegenstrategien

 

Klaus Meier

1. Verpackungsmüll

Weltweit wird immer mehr Verpackungsmüll produziert. Besonders Plastik erweist sich als kritisch. Die Weltmeere sind voll davon. An ursprünglich idyllischen Stränden in Afrika oder Asien, wo der Müll nicht regelmäßig eingesammelt wird, sieht es heute aus wie auf wilden Müllkippen. Das Problem: Verpackungen werden nur eine sehr kurze Zeit genutzt – aber die oftmals eingesetzten Kunststoffmaterialien halten Jahrhunderte. Und sie zerfallen in immer kleinere Teile, die Vögel und Fische vergiften. Und es ist unvermeidbar, dass Mikroplastikpartikel schließlich über den Lebensmittelkreislauf auch auf dem menschlichen Speiseteller landen. Dazu kommt, dass durch die Müllproduktion große Mengen Treibhausgase entstehen. Nicht zuletzt wegen der kommenden Klimakatastrophe muss dem dringend Einhalt geboten werden. Deutschland ist führend bei der Müllproduktion. 2015 erreichte das Abfallaufkommen in Deutschland 351 Millionen Tonnen. Pro Kopf produzierte jeder Deutsche 625 Kilogramm Müll. In den Zeitungen und im Fernsehen wird zwar ständig über die schlimmen Folgen der Vermüllung geklagt, doch ernsthaft gehandelt wird nicht. Kann man wirklich nichts machen? Wo liegen die Schwierigkeiten? Welche schnellen Maßnahmen wären möglich?

2. Wie Trittin mit seinem Dosenpfand scheiterte

2003 bemühte sich der damalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der zunehmenden Flut von Getränkedosen Herr zu werden. Nach einem endlosen Geplänkel mit der Industrie, die den Untergang des Abendlandes an die Wand malte, wurde statt eines klaren Verbots nur ein Dosenpfand eingeführt. Eine halbherzige Maßnahme. Die Dosenverpackungen gingen zwar zurück, stiegen dann aber wieder. Bereits 2016 meldete der Verband der Getränkedosenher­steller stolz, dass man wieder 2,5 Milliarden Dosen verkauft habe.
Eigentlich wollte Trittin mit der Einführung eines Pfandsystems sämtliche Einweggetränkeverpackungen zurückdrängen. Dieser Plan kann mittlerweile als komplett gescheitert angesehen werden. Vor der Pfandeinführung wurden immerhin noch 66,3 % aller verkauften Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt. 2015 waren es dagegen nur noch 44,3 %. Und laut dem Umweltbundesamt werden heute nur noch knapp 30 % der Erfrischungsgetränke und 40 % des Mineralwassers als Mehrweg angeboten. Ein böses Lehrstück über die Macht von Verpackungsindustrie und Handelskonzernen. Politische Leisetreterei und Kuschen vor den Konzernen sind offensichtlich nicht ausreichend, um das Müllproblem in den Griff zu bekommen.

 

3. Unselige Getränkekartons

Beim Thema Müll müssen auch die allgegenwärtigen Getränkekartons ins Blickfeld genommen werden. Sie werden z.B. für Milch oder Säfte verwendet. Die produzierende Industrie preist sie als eine ökologische Lösung an. Die Realität sieht leider anders aus. 2012 wurden 185.400 Tonnen (Leergewicht) Getränkekartons in Deutschland verbraucht. Eine enorme Menge Müll. Die Verpackungen bestehen aus einem mehrschichtig verklebten Verbund aus Karton, Aluminiumfolie und Kunststoff. Laut der Verpackungsindustrie liegt die Recyclingquote bei 71 %. Dafür ist das Sortieren und anschließendes Zerkleinern der Kartons erforderlich. Anschließend rotiert das Material in einer sog. Auflösetrommel so lange, bis sich die Kartonfraktion ablöst und in einen Faserbrei verwandelt. Der kann immerhin für einfache Papierprodukte wiederverwendet werden, aber nicht mehr für neue Getränkekartons, denn die zurückgewonnenen Papierfasern sind dafür zu kurz. Der größte Teil der Masse, nämlich der Kunststoff und die Aluminiumfolie werden dagegen verbrannt. Die Deutsche Umwelthilfe hat in einer Untersuchung festgestellt, dass tatsächlich nur 36,5 % der Getränkekartons „recycelt“ werden. Dazu kommt, dass der ganze Prozess extrem aufwendig ist und zudem viel Wasser und Energie verbraucht. Wenn man den Gesamtprozess der Getränkekartonverwertung betrachtet, grenzt es schon an Betrug, ihn als Recycling auszugeben.

 

4. Immer mehr PET-Einwegflaschen

Die dominierende Getränkeverpackung ist heute die PET-Flasche. Sie wird für Mineralwasser, Säfte oder mittlerweile sogar für Bier verwendet. Die Verpackungs- und Getränkeindustrie hat mit gezielter Falschwerbung viel Verwirrung bei ihrer Kundschaft gestiftet, so dass viele nicht mehr wissen, welche PET-Flaschensys­teme Mehrweg und welche Einweg sind. Die großen Discounter wie Lidl oder Aldi bieten heute fast ausschließlich Geträn­ke in PET-Einwegflaschen an. So ersparen sie sich die Rücknahme. Dis­counter und Verpackungsindustrie be­haupten, dass PET-Einwegflaschen re­cycelt würden. Tatsächlich werden sie gesammelt, gewaschen und zu Granulat geschreddert. Dabei kommt es aber zu einer Beschädigung der langen Kunststoffmole­küle, so dass nur noch etwa die Hälfte des zurückgenommenen Materials für neue PET-Flaschen verwendet werden kann. Bei jedem Durchlauf muss dem Herstellungsprozess etwa 50 Pro­zent fabrikneues PET-Material hinzuge­setzt werden. Die andere Hälfte des PET-Granulats kann bestenfalls noch für farbige Textilfasern verwendet werden. Es ist also kein geschlossener Material-Kreislauf, sondern 50 % des Materials endet in einem Downcycling-Prozess. Dazu kommt, dass ein großer Prozentsatz der Einwegflaschen erst gar nicht bis zum Recycling kommt, sondern völlig verschmutzt im gelben Sack endet. Dieses Material endet dann in der Müllverbrennung.

 

 

5. Vorteile und Probleme von Mehrwegflaschensystemen

Mehrwegsysteme sind grundsätzlich sehr umweltfreundlich. Getränkeflaschen werden gespült und können dann wiederverwendet werden. Das gilt auch für PET-Mehrwegflaschen, die rund 25 Mal eingesetzt werden können. Das klingt zunächst sehr gut. Allerdings hat das Chemische Untersuchungsamt Münster (CVUA) in einer jüngeren Untersuchung von 38 Mineralwassern in PET-Flaschen festgestellt, dass die Getränke nicht unerhebliche Mengen von Mikropartikeln aus Kunststoff enthalten. Die Forscher vermuten, dass es bei PET-Mehrwegflaschen aufgrund der mehrfachen Verwendung und Spülprozessen zur Aufrauhung der Innenwände kommt. Teile davon lösen sich irgendwann ab und gehen in das Getränk über.

Abbildung: Wie man Müll macht – sinnfreie Produkte in Plastik verpackt

 

Die Teile aus Mikroplastik können sich über lange Zeit im Gewebe anreichern und dann im Darm oder in der Leber Entzündungen auslösen. Im schlimmsten Fall kann es zu chronischen Lebererkrankungen oder Krebs kommen. Sollten sich diese Forschungsergebnisse erhärten und sich auch keine Möglichkeiten zur Verhinderung eines Übergangs von Mikroplastikpartikeln in Getränke finden lassen, dann wären PET-Flaschen als Mehrweggetränkeverpackungen definitiv ungeeignet. Es bliebe dann aber der klassische und bewährte Werkstoff Glas, der inert ist und keinen schädlichen Abrieb hat. Glas-Mehrwegflaschen können im Durchschnitt sogar rund 50 Mal mit Getränken befüllt werden, bevor sie wieder eingeschmolzen werden. Eine sehr gute Ressourcennutzung. Und sie sind zu 100 % in einem endlosen Kreislauf recycelbar.

Abbildung: Spirituosen in Glasflaschen – Spezialformen und absolut pfandfrei

 

Aber es können bei Mehrwegsystemen aus Glas auch einige Probleme auftreten. So werden von den Brauereien auf dem deutschen Biermarkt mehr als 120 verschiedene Bierflaschentypen verwendet: Braune, Grüne, Dicke oder Schlanke. Dazu kommen noch solche mit Glaswulsten und speziellen Prägungen. Alles für die Werbung. Wie die Unternehmen ticken, zeigt die Begründung des Geschäftsführers der Bamberger St. Erhard Brauerei, die einen speziellen Siber-Metallischen-Schriftzug auf den Flaschen eingeführt hat: „Wir wollten uns mit dem minimalistischen Design von der üblichen Humptata- und Hopfendolden-Vermarkung abheben.“ Formal betrachtet sind das zwar alles Mehrwegflaschen, aber für den Handel bedeutet diese Vielfalt oftmals einen zu hohen logistischen Aufwand. Viele Spezialflaschen landen dann im Altglascontainer, denn niemand fährt für ein paar Kisten Leergut hunderte Kilometer bis zur passenden Annahmestelle. Es wird deutlich: Pfandflaschen sind nur ein erster Schritt. Es braucht weiterhin eine rechtlich verbindliche Normung der Flaschen, damit die Pfandidee nicht von den Unternehmen unterlaufen wird.

 

6. Gewichtsprobleme von Glas-Mehrwegbehältern

Ein anderes Problem besteht darin, dass Mehrweg-Glasbehälter natürlich mehr wiegen als PET-Wegwerfflaschen. Je größer dann die Transportentfernungen sind, desto mehr nimmt der ökologische Vorteil von Mehrweg- gegenüber Einwegsystemen ab. Die kritische Grenze liegt zwischen 750 und 1500 Kilometer. Wenn die nicht eingehalten wird, ist der Energieverbrauch für den Transport zu hoch und die Straßen werden zusätzlich durch schwere Lasten kaputt gemacht. So beansprucht ein einziger LKW den Straßenbelag genauso wie 160.000 PKW. Um dies zu verringern, sollten generell Maßnahmen ergriffen werden, um wichtige Bereiche der Lebensmittelherstellung wieder zu regionalisieren. So sollten einfache Molkereiprodukte (Milch, Joghurt, Kefir, einfache Käsesorten), Mineralwässer, Säfte oder Biere nicht mehr als 500 Kilometer weit transportiert werden. Dies erfordert, dass kapitalistische Konzentrationsprozesse in der Lebensmittelbranche wieder rückgängig gemacht werden. So gab es 1950 in Deutschland immerhin noch 3401 Molkereien. 2015 war ihre Zahl auf 70 geschrumpft. Das Beispiel zeigt: Wer den Verpackungsmüll ernsthaft bekämpfen will, muss gleichzeitig im Lebensmittelbereich für eine Regionalisierung der Verarbeitung sorgen. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass das Verkehrsaufkommen gesenkt wird und regionale Arbeitsplätze geschaffen werden.

 

7. Mehr Mehrweg braucht das Land

Generell gilt, dass die Müllmengen deutlich reduziert werden könnten, wenn bepfandete Mehrwegsysteme verpflichtend für den Getränkebereich werden. Das sollte auch für alkoholhaltige Getränke gelten. Getränkekartons, Dosen und Einwegflaschen sollten mittels des Ordnungsrechts verboten werden.

Abbildung: Kunststoffflaschen – Einmal benutzen, dann wegwerfen

 

Es gibt aber noch zahlreiche weitere Wegwerfbehälter im Konsumgüterbereich, die problemlos auf genormte Pfand-Mehrwegsysteme umgestellt werden könnten, seien sie aus Glas oder aus recyclingfähigem Kunststoff. So ist es völlig unverständlich, warum Marmeladegläser nicht mit Pfand belegt und wieder eingesammelt werden. Das gleiche gilt für viele andere Lebensmittelkonserven, die heute ausschließlich in Wegwerfgläsern oder in Dosen angeboten werden. Auch Michprodukte wie Joghurt oder Kefir sollten nur noch in bepfandeten Gläsern vertrieben werden. Und was für Lebensmittel gilt, sollte auch auf die Produkte aus dem Drogeriesortiment ausgedehnt werden. Beispiele sind Reinigungs- und Waschmittel, Shampoos und Waschlotionen aber auch Produkte aus der Parfümerieabteilung. Bisher sind sie aus Kunststoff und landen nach dem Gebrauch grundsätzlich im Müll. Sie gehören stattdessen in vereinheitlichte, genormte Kunststoffbehälter mit Pfandaufschlag und Rücknahmepflicht.

 

8. Kunststoffrecycling statt Kunststoffmüll

Am Ende eines Kunststofflebens selbst bei mehrmaligen Pfanddurchläufen steht immer die stoffliche Verwertung. Wenn die Randbedingungen stimmen, könnte dagegen in vielen Fällen das Recycling von Kunststoffen sinnvoll sein. Dazu müssen aber klare Regeln und Normungen definiert werden. Vor allem muss die stoffliche Kunststoff-Vielfalt massiv eingeschränkt werden. Das gilt nicht nur für die chemische Zusammensetzung, sondern auch für die eingesetzten Kunststofffarben. So lassen sich schwarze und weiße Kunststofffraktionen nicht gemeinsam recyceln. Am günstigsten sind farblose oder weiße Kunststoffe. Beispielgebend ist da die Firma Frosch, die nur durchsichtige Materialien verwendet. Besonders recyclingfeindlich ist auch die stoffliche Verbindung von Kunststoffen mit Pappe oder mit Metall, was überflüssigerweise bei Schulheften gemacht wird. Und schließlich bedarf es zusätzlich einer Kennzeichnungspflicht der verwendeten Kunststoffmaterialien, um so eine Trennung zu erleichtern.

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen keine Lösung sind. Sie stehen in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung der Agrarflächen. Auch bioabbaubare Kunststoffe sind problematisch. Sie werden zwar gerne von der Industrie beworben, aber real bedeutet bioabbaubar, dass die Materialien nur unter Spezialbedingungen abbaubar sind. Aber in normalem Haus- oder Biomüll brauchen sie viele Monate und länger, um zu verrotten. Bioabbaubare Kunststoffe könnten vielleicht für die Verpackungen einzelner Lebensmittel gerade eben noch sinnvoll sein. Aber einen generellen Weg gegen die Kunststoffflut bieten sie nich

 

9. Leitlinien und Arbeitskreise zur Müllvermeidung

Die Müllvermeidungsstrategien müssen insbesondere im Verpackungs- und Kunststoffbereich auf viele genau definierte Einzelmaßnahmen setzen. Dazu müssen auch technische Festlegungen getroffen werden. Die Frage ist, wer das ausführen soll. Parlamentsausschüsse sind dazu leider völlig ungeeignet. Ihnen fehlt schlicht die Fachkompetenz. Und die Parlamentarier der bürgerlichen Parteien würden – wie sie es immer tun – sofort wieder auf die Expertise ihrer Freunde aus den kapitalistischen Unternehmen zurückgreifen. Diese Kumpanei, bei der der Übergang zur Korruption fließend ist, hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie keine Umweltprobleme lösen kann und will. Nicht nur das Müllproblem sondern auch das zunehmende Abdriften unseres Planeten in eine Klimakatastrophe liefern dafür genügend Belege. Aber wie könnte dann vorgegangen werden? Ein Blick auf den medizinischen Sektor könnte helfen. Hier gibt es sog. „Leitlinien“ zur Behandlung von spezifischen Erkrankungen. Sie werden heute von ärztlichen Fachverbänden formuliert. Auf den Müllsektor übertragen hieße dies, dass beispielsweise Verpackungsleitlinien als einzuhaltende Standards für spezifische Konsumgüter entwickelt werden könnten. Unternehmen sollten gezwungen werden, sich daran zu halten. Andernfalls sollten drakonische Strafzahlungen erfolgen. Es stellt sich natürlich die Frage, wer die notwendigen Müllvermeidungsregeln ausarbeiten soll. Hier könnten sich Arbeitskreise anbieten, in denen VertreterInnen von Umwelt- und Verbraucherverbänden sowie Gewerkschaften sitzen. Dazu beratende Wissenschaftler aus dem Hochschulsektor sowie auch aus dem Bereich der Lebensmitteltechnik. Lobbyisten und kapitalistische Interessenvertreter sollten dagegen per se ausgeschlossen werden. Derartige Arbeitskreise, die Leitlinien entwickeln, könnten in Auseinandersetzungen zur Rettung der Umwelt zu wichtigen Organen einer Gegenmacht werden.